Workshop

Bioökonomie: Büchse der Pandora oder globale win-win-Option?

Die neuen Bioökonomie-Strategien aus entwicklungspolitischer Perspektive

Die offiziellen Bioökonomie-Strategien der EU und Deutschlands finden nicht nur bereits seit Jahren ihren
Niederschlag in entsprechenden Schwerpunktsetzungen der Forschungslandschaft, sondern beginnen auch
verwandte Politikbereiche signifikant zu beeinflussen und zu steuern.
Die mit der Bioökonomie verbundenen technologischen Lösungsansätze versprechen Antworten auf
zentrale Fragen der Zukunftsfähigkeit: Der Übergang von einer auf fossilen hin zu einer auf biologischen
Rohstoffen basierenden Wirtschaft könne so bewältigt, ein Weg aus der globalen Ressourcenknappheit
gefunden und auf die Folgen des Klimawandels reagiert werden. Ergänzt wird dieses Versprechen mit der
Aussicht auf höhere Produktivität, Wachstum und internationale Wettbewerbsfähigkeit. Auch die Länder
des Globalen Südens würden profitieren und ein Kurswechsel Richtung Bioökonomie zu einer global
gerechteren Entwicklung, zur Ernährungssicherheit und Armutsminderung beitragen.
Moderne Technologien wie grüne Gentechnik, synthetische Biologie und Bioraffinerien sind die designierten
Instrumente, um (mehr) Biomasse zu produzieren und neue Produkte für die Agrar-, Lebensmittel-,
Energie-, Chemie- und Pharmaindustrie zu entwickeln.
Zwar ist Bioökonomie ein so weit gefasstes Konzept, dass es schwierig erscheint, einfache und eindeutige
zentrale Handlungsstränge zu identifizieren. Doch kann die Schwerpunktlegung auf Technologien zur
Verbesserung der Ressourceneffizienz nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Umsetzung der
Bioökonomie-Strategien von einem drastischen Anstieg der Nutzung von Biomasse abhängig ist, die sich –
inkl. der Produktionspotenziale wie Land, Böden und Wasser – weitgehend im globalen Süden findet.
Eine über die bereits bestehende Auseinandersetzung um „Teller, Trog oder Tank“ hinausgehende
Vervielfachung der Zielkonflikte, die auf konkurrierenden Landnutzungsinteressen beruhen, ist damit
vorprogrammiert – und verweist auf die wichtigste entwicklungspolitische Dimension der Bioökonomie: Der
neue Kampf um den Zugang zu und die Kontrolle von Land wird sich – nicht nur aber zu einem großen Teil –
im globalen Süden abspielen und absehbar schwerwiegende soziale und ökologische Folgewirkungen nach
sich ziehen. Eine Vorstellung davon vermittelt die Nachfrage der EU nach Agrartreibstoffen: es ist
mittlerweile erwiesen, dass diese den globalen Wettbewerb um Land verstärkt und das so genannte Land
Grabbing in Afrika, Asien und Lateinamerika angetrieben hat, um agrarische Rohstoffe für den Export
anzubauen.
Neben der energetischen Nutzung von Biomasse mit dem Fokus auf die Agrartreibstoffe, ist die synthetische
Biologie die zweite Großbaustelle der Bioökonomie. Ihre Kennzeichnung als „extreme Gentechnik“ zeigt
schon, dass es nicht um gänzlich neue Fragen geht. Dennoch stellt synthetische Biologie alte Fragen neu:
durch ihren Ansatz mit Ingenieurstechniken Natur aus natürlichen Bestandteilen neu zu konstruieren, soll
der Unterschied zwischen `natürlich´ und `künstlich´ geschaffen obsolet werden, und damit alle bisherigen
Regeln zur Kontrolle und Einschränkung gentechnischer Produkte.
Die Auseinandersetzungen um Bioökonomie sind – das wird jetzt schon deutlich – auch ein Kampf um
Narrative: die „Teller versus Tank“ Debatte rund um die Agrartreibstoffe hat bioökonomischen Akteuren
schwer zugesetzt. Sie antworten nun mit dem Begriff „fortschrittliche Biotreibstoffe“. Diese sollen nicht
mehr aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, die gemeinhin auch als Nahrungsmittel
Verwendung finden können. Des weiteren wird synthetische Biologie als große Antwort auf den Hunger in
der Welt propagiert und der Klimaschutz dient als Legitimierung der agrarindustriellen Nutzung und
Inwertsetzung von bereits umgenutzten oder sogenannten degradierten Flächen.
Im Süden wie im Norden haben nicht nur Umweltgruppen sondern auch soziale Bewegungen
bioökonomische Strategien zum Gegenstand ihrer kritischen Interventionen gemacht. Doch erst seit kurzem
taucht das Stichwort Bioökonomie auch in den Diskussionen und Reflexionen entwicklungspolitischer
Gruppen hierzulande auf. Die kritische Debatte zu und die Beschäftigung mit der neuen Welle von
Bioökonomie-Strategien steckt noch in den Anfängen. So deutlich es auch wird, dass Bioökonomie eine
wichtige und problematische Strategie darstellt, so unklar ist, welche Handlungsoptionen daraus erfolgen.
Eine Auseinandersetzung damit scheint jedoch geboten, denn es ist nicht davon auszugehen, das eintritt,
was manche vermuten: dass den Bioökonomie-Strategien angesichts momentan niedriger Ölpreise in
Ermangelung lukrativer Märkte und Geschäftsfelder die Luft ausgehen könnte – dafür wurde schon zu viel in
diesen breit aufgestellten „Zukunftssektor“ investiert.
Mit diesem Workshop wollen wir interessierte Gruppen und Personen einladen, um die
Problembeschreibung und Perspektiven für politische Interventionen aus einer entwicklungspolitischen
Perspektive heraus zu diskutieren. Als Input für die gemeinsame Diskussion wird das FDCL ein Thesenpapier
erarbeiten, das im Vorfeld des Treffens in Berlin an die TeilnehmerInnen verschickt werden soll.

Sprache: deutsch / Teilnahme: kostenfrei

Einladung Fachworkshop Bioökonomie

Wir bitten um eine verbindliche Anmeldung unter: jan.dunkhorst(at)fdcl.org

Zur Kampagne „Hands on the Land for Food Sovereignty“ 

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