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Die bereits heute hohe Nachfrage nach biogenen Rohstoffen für die Wirtschaft der Zukunft wird noch weiter steigen. Denn nicht nur das Ende der fossilen Rohstoffe ist absehbar, auch mineralische Ressourcen sind nur begrenzt verfügbar. Gleichzeitig schränken Klimawandel und der Verlust der Biodiversität die ohnehin knappe nachhaltig nutzbare Biomasse in einem erheblichen Umfang weiter ein. Daraus ergeben sich Zielkonflikte bei der Verteilung, denn auch weltweit werden die Ökosysteme nicht genug Biomasse für jegliche Nachfrage bereitstellen können. Nicht die Natur sollte dem auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaften dienen, sondern die Wirtschaft an die natürlichen Gegebenheiten und planetaren Grenzen angepasst sein.

Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen begrüßen daher die Initiative der Bundesregierung, mit der Nationalen Biomassestrategie einen Rahmen für den Schutz, die Nutzung und Produktion von biogenen Rohstoffen bereitzustellen. Angesichts der ökologischen Krise und Millionen hungernder Menschen sollten darauf aufbauend rechtsverbindliche konkrete Schritte zügig umgesetzt werden, die eine weltweite Wirksamkeit entfalten.

Dabei sollten weltweite politische Fehlsteuerungen wie ökologisch und sozial zerstörerische Biomasseproduktion, das Fehlen von Nutzungshierarchien sowie falsch lenkende Anreize Anlass und Ausgangspunkt für eine fundamentale Umsteuerung der zukünftigen Biomassenutzung sein.
Hierfür ist ein robuster Rahmen aus ordnungsrechtlichen und ökonomischen Instrumenten unabdingbar, da weder das Marktgeschehen allein noch freiwillige Selbstverpflichtungen die notwendigen Änderungen wirksam herbeiführen können. Angesichts begrenzter nachhaltiger Biomassepotenziale ist zudem eine Reduktion des Ressourcenverbrauches in allen Bereichen der Wirtschaft unabdingbar.

Das von der Bundesregierung vorgelegte Eckpunktepapier hat noch einen zu skizzenhaften Charakter, um in diesem frühen Stadium eine detaillierte Diskussion zu führen. Folgende Gesichtspunkte sind allerdings von grundsätzlicher Bedeutung für eine verantwortungsvolle Biomassenutzung:

> Erst wenn die Biomassepotenziale aus Abfall- und Reststoffen sowie aus Land- und Forstwirtschaft ermittelt wurden, die ökologisch nachhaltig und sozial gerecht zur Verfügung stehen, kann sinnvollerweise über deren Verteilung gesprochen werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Ökosysteme schon heute unter Druck stehen, in vielen Fällen übernutzt oder degeneriert sind und von daher keine zusätzliche Biomasse zur Verfügung stellen können.
> Biomasseanwendungen müssen priorisiert und nicht-nachhaltige Nutzungen zurückgefahren werden. In den Biogasanlagen sowie bei der energetischen Holznutzung werden aktuell aufgrund fehlgeleiteter Förderanreize große Mengen wertvoller Biomasse verschwendet. Aus dem gleichen Grund ist eine deutliche Reduktion der Tierhaltung verbunden mit einer stärkeren pflanzlichen Ernährung notwendig.
> Die Erfordernisse der globalen Ernährungssicherheit dürfen nicht nur in der Einleitung postuliert werden. Sie müssen im Zuge der Strategie durch einen geeigneten ordnungspolitischen Rahmen wirksam durchgesetzt werden. Der Ukrainekrieg hat gezeigt, wie sich – in einer Zeit, in der 828 Millionen Menschen Hunger leiden – die Ernährungslage von Millionen in Armut lebender Menschen auf der Welt weiter verschärft, wenn Agrarrohstoffe umkämpft sind und teuer werden – nicht zuletzt weil globale Lieferketten nicht auf deren Versorgung ausgerichtet sind. Einen ähnlich negativen Effekt hätte ein Umstieg der Industriestaaten von einer fossilen Wirtschaft hin zur Bioökonomie, sofern das industrielle Agrarsystem unverändert fortbesteht und unser Ressourcenverbrauch hoch bleibt.
> Es dürfen heute keine Maßnahmen ergriffen werden, die nicht-nachhaltige Biomasse-Nutzungspfade über einen längeren Zeitraum festlegen. Die Umstellung von Kohlekraftwerken auf Holzfeuerung sollte daher sofort gestoppt werden und die Förderung der Verschwendung von biogenen Rohstoffen für Treibstoffe durch die verordneten Beimischungsquoten muss umgehend beendet werden.
> Das Potenzial der zur Verfügung stehenden biogenen Abfall- und Reststoffe ist ebenfalls stark begrenzt und eine direkte energetische Nutzung unter Umgehung einer Kaskade auch hier völlig unangemessen. Darüber hinaus sollte diese Stoffgruppe im Rahmen der Strategie möglichst eng gefasst und eindeutig definiert werden, um Schlupflöcher zu vermeiden. Schließlich beruht das Geschäftsprinzip von Branchen wie der Holzpellet-Industrie auf der Dehnbarkeit solcher Begrifflichkeiten, die unter dem Deckmantel der “Abfall- und Reststoffe” ganze Wälder zum Verfeuern kahlschlagen.
> Das Kaskadenprinzip sollte mit einem klaren ordnungsrechtlichen Rahmen umgesetzt und der stofflichen Biomassenutzung eindeutig Vorrang vor der energetischen eingeräumt werden. Im Gegensatz zum Eckpunktepapier sollten Gründe der “wirtschaftlichen Machbarkeit” keine Abweichungen von diesem Prinzip rechtfertigen.
> Die internationale Nachfrage nach Biomasse überschreitet das bestehende Angebot bereits erheblich und wird sich in Zukunft voraussichtlich noch steigern. Vor diesem Hintergrund ist es dringend erforderlich, Verlagerungseffekten der Biomasseproduktion in den Globalen Süden aktiv vorzubeugen. Es sollte vermieden werden, dass deutsche und europäische Klimaschutzambitionen dazu führen, dass die Biomasseproduktion im Globalen Süden zur Versorgung der Märkte des Nordens oder zur Treibhausgaskompensation ausgeweitet wird.

Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen sind gewillt, ihre Expertise in den weiteren Prozess mit einzubringen. Damit verbunden ist die Erwartung, dass dies im Rahmen eines transparenten und für alle Stakeholder möglich machenden Verfahrens stattfindet. Denn nicht alle Stakeholder sind gleich. Während finanzkräftige Wirtschaftslobbyisten über umfangreiche Ressourcen verfügen, müssen auch die Rechte der Menschen, die in Hunger und Armut leben, sowie von Umwelt- und Naturschutz eine gleichberechtigte Stimme haben.

Unterzeichnende Organisationen:
ARA
Bergwaldprojekt
Brot für die Welt
BUND
denkhausbremen
DNR
FDCL
FIAN
Forum Umwelt und Entwicklung
Robin Wood

Diese Stellungnahme wurde erarbeitet im Rahmen des Aktionsforum Bioökonomie.
Stand 21.12.2022