Studien

Freihandel vs. Saatgut-Souveränität

Sortenschutz und Saatgutrecht in Kolumbien und Peru im Kontext des Handelsabkommens mit der EU

Fünf Jahre nach dem vorläufigen Inkrafttreten des Freihandelsabkommen zwischen der EU, Kolumbien und Peru ist es Zeit, in verschiedenen Bereichen Bilanz zu ziehen. Einer dieser Bereiche betrifft den Schutz geistiger Eigentumsrechte, die mit dem EU-Freihandelsabkommen – wie bei anderen Freihandelsabkommen ähnlichen Zuschnitts auch – über die Bestimmungen des TRIPS-Abkommens (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) der Welthandelsorganisation WTO ausgedehnt werden.

Eine solche, deshalb auch als „TRIPS-plus“ bezeichnete Anforderung des Freihandelsabkommens EU- Kolumbien/Peru bezieht sich auf den Rechtsschutz für Neuzüchtungen von Pflanzensorten, denn mit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens verpflichteten sich die beiden Staaten dazu, die diesbezüglichen Anforderungen des UPOV-Übereinkommens (Union Internationale pour la Protection des Obtentions Vegetales)  von 1991 in nationales Recht umzusetzen. Seit seiner Unterzeichnung im Jahre 1961 wurde das UPOV-Übereinkommen dreimal überarbeitet (1972, 1978 und 1991). Die Fassung von 1991 weitete die Züchterrechte  zulasten der Rechte der Bäuerinnen und Bauern und deren Zugang zu Saatgut aus. Das Freihandelsabkommen  EU-Kolumbien/Peru forciert – ebenso wie die bereits vorher in Kraft getretenen jeweiligen Freihandelsabkommen mit den USA – die Verankerung UPOV-konformer Züchterrechtsregelungen und ihre  Durchsetzung in den beiden südamerikanischen Staaten, womit deren Möglichkeiten massiv beschränkt werden,  den bäuerlichen Saatgutsystemen angepasste Regelungen zu entwickeln.

In dieser Studie wird den Fragen nachgegangen, wie die Regelungen der UPOV bezüglich Züchterrechte in Peru  und Kolumbien implementiert wurden, wie diese zugunsten der internationalen Agrarchemie- und Saatgutkonzerne wirken, auf vielfältige Weise die traditionelle Landwirtschaft behindern und sowohl deren Funktionsweise als auch deren Zukunftsfähigkeit untergraben: angefangen durch die Definition dessen, was als  „Sorte“ gilt, über die Bestimmungen, was die UPOV-Mitgliedsstaaten an Zulassungskriterien für Sorten aufstellen  müssen, bis hin dazu, welche möglichen Voraussetzungen sie gerade nicht machen dürfen.

Aufgrund der Komplexität des zu behandelnden Themenfeldes sind zu dessen Verständnis – so etwa im Hinblick  auf die Komplementarität von Sortenschutz und Saatgutrecht – entsprechende Exkurse unabdingbar. Deshalb  werden im ersten Kapitel dieser Studie zunächst Basisinformationen über die Bedeutung von Sorten und Saatgut  für verschiedene Formen der Landwirtschaft, über die Bedeutung der Sortenvielfalt und über das Konzept der  Ernährungssouveränität im Unterschied zum Konzept der Ernährungssicherheit gegeben.

Das zweite Kapitel  beschreibt die Unterscheidung und das Ineinandergreifen von privatrechtlichem Rechtsschutz für  Pflanzenzüchtungen, der erklärtermaßen die Rechte der Pflanzenzüchter schützen soll, und öffentlich- rechtlicher  Regelung der Saatgutvermarktung, die vorgeblich dem Schutz der Saatgut-Konsument*innen, also der  Landwirt*innen und Gärtner*innen als Verbraucher*innen von Saatgut dient. Am Beispiel der EU-Gesetzgebungen zu den Züchterrechten und zum Saatgutmarkt wird hier das Ineinandergreifen beider Rechtsbereiche dargestellt.

Das dritte Kapitel schildert zunächst die Schritte zur Regelung der Züchterrechte, die beide Staaten als Mitglieder der Andengemeinschaft gegangen sind. Die wechselvolle und sehr konfliktreiche Entwicklung in Kolumbien wird  im vierten Kapitel dargestellt. In Kolumbien konnten und mussten Rechtsakte der Regierung oder ihrer Behörden  immer wieder von den sozialen Bewegungen und von deren Anrufung des Verfassungsgerichtes gebremst werden.  Das fünfte Kapitel zeigt den Weg Perus; eines Staates, der Bestrebungen zeigte, der Bedeutung seiner andinen  Landwirtschaft und seiner Rolle als Land mit einer enorm großen Biodiversität gerecht zu werden.

Das sechste Kapitel skizziert Durchsetzungsstrategien der internationalen Agrarchemie- und Saatgutkonzerne bei  der Etablierung einer industriellen Landwirtschaft, die ihnen als Quelle von Umsatz und Gewinnen dient. Kapitel  7 und 8 bieten eine Zusammenfassung und einen Ausblick.

Die herkömmliche Praxis des Umgangs mit Saatgut der in kleinbäuerlicher Landwirtschaft oder Subsistenz- Landwirtschaft lebenden Landbevölkerung droht durch den Rechtsschutz auf Neuzüchtungen in die Illegalität gedrängt zu werden. Das kann weitreichende agrarkulturelle, ökonomische und soziale Folgen haben. Im Anhang  werden daher Bemühungen zum Erhalt und zur Förderung bäuerlicher Saatgutsysteme in Peru und Kolumbien  dargestellt, die ein wichtiges Element zur Förderung der Saatgut-Souveränität und damit der Ernährungssouveränität darstellen.

Eine detaillierte Untersuchung, welche menschenrechtlichen Auswirkungen die Implementierung eines Züchterrechts-Systems nach UPOV 1991 hat bzw. haben könnte, wurde 2014 von einer Koalition verschiedener NGOs für die Länder Peru, Kenia und Malaysia vorgelegt. Derartiges kann in der vorliegenden Ausarbeitung  nicht geleistet werden.

Inhalt

Einleitung 4
1 Saatgut und Landwirtschaft 6
2 Rechtssysteme zur staatlichen Regulierung des Zugangs zu Saatgut 8
Schutz der Züchterrechte (Sortenschutz) durch die UPOV-Verträge 9
Das Saatgutrecht: eine komplementäre Beschränkung des Zugangs zu Saatgut 12
Koppelung von Sortenschutz und Saatgutrecht 14
3 Unterwerfung von Kolumbien und Peru unter UPOV-Regularien 16
4 Wechselhafte Entwicklung in Kolumbien 18
Zur ökonomischen und politischen Situation Kolumbiens 18
Drakonische Strafandrohungen und unbestimmte Rechtsbegriffe im Sortenschutz 18
Beitritt zu UPOV 1991 – nicht verfassungsgemäß 19
Ein weiteres Druckmittel: das kolumbianische Saatgutrecht – 20
ICA 970 und die Folgen
ICA 3168 ersetzt ICA 970 – wiederum mit unbestimmten Rechtsbegriffen 21
Sortenregister in Kolumbien 21
5 Die Situation in Peru 22
Zu den Bedingungen der Landwirtschaft in Peru 22
Züchterrechte in Peru 22
Fortschrittliches Saatgut-Recht 23
Sortenregister in Peru 23
Kleinbäuerliche Landwirtschaft und Saatgutsektor in Peru 24
6 Durchsetzungsstrategien der Saatgut- und Agrarchemie-Konzerne 25
Konflikte in Europa und Nordamerika 25
Konflikt in Kolumbien 25
Die transnationalen Agrarchemie-Konzerne – Freunde und Helfer 26
Peru: Propaganda des staatlichen Agrarinstituts INIA 26
Durchsetzung industrieller Landwirtschaft in Kolumbien und Peru 26
7 Zusammenfassung 28
8 Ausblick 30
Anhang: Netzwerke für bäuerliches Saatgut in Kolumbien und Peru 31

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