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Das Märchen vom Freihandel

Erklärvideo für die Bildungsarbeit

Ist Freihandel immer gut für alle? Das zumindest wird versprochen und Freihandel weltweit vorangetrieben. Doch ganz so einfach ist es leider nicht… Wie bei Märchen üblich, wird auch hier ein Happy End versprochen. Durch Freihandel würde der Wohlstand aller steigen und Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber leider sind Märchen nun mal Märchen und haben mit der Realität nicht allzu viel zu tun. Es mag zutreffen, dass der Wohlstand durch Freihandel steigt, allerdings ist er nicht gerecht verteilt. Die durch globalisierten Handel entstandenen Arbeitsplätze sind häufig prekär und von Ausbeutung geprägt… Es lohnt sich also ein genauerer Blick darauf, wie die Globalisierung gestaltet sein sollte, damit sie wirklich zum Wohle aller beiträgt.

Das Video ist dafür gedacht, einen ersten Einstieg in die Diskussion um Freihandel zu bieten. Es kann z.B. zur Bildungsarbeit genutzt oder bei Veranstaltungen gezeigt werden.

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Heute wird der globalisierte Handel von allen relevanten Institutionen und Akteuren auf eine ganz bestimmte Weise vorangetrieben: Es ist eine neoliberale Ausrichtung der Wirtschaft, die auf Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung setzt. Jedwede protektionistische Maßnahme wird als potenziell zerstörerisch gegängelt und der Abbau von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen steht ganz oben auf der Agenda.

Protektionismus
Protektionistische Maßnahmen werden als Totengräber des Welthandels verdammt. Hier lohnt sich aber ein genauerer Blick: Zwar fordern gerade wirtschaftlich starke Länder von den Ländern des globalen Südens, ihre Märkte zu öffnen, Zölle abzubauen, Subventionen zu streichen und (Staats)Monopole zu zerschlagen. Aber gerade diese Praxis hat die Wirtschaften der heutigen Industrieländer historisch erst wettbewerbsfähig gemacht. Erst als die eigene Wirtschaft „resilient“ war, wurde sie für den Weltmarkt geöffnet. Die wirtschaftlich schwächeren Länder sollen diese Phase nun aber einfach überspringen und direkt in den freien globalen Wettbewerb eintreten. Hinzukommt, dass etwa die Länder der Europäischen Union (EU) mitnichten auf protektionistische Maßnahmen verzichten, um bestimmte Wirtschaftssektoren zu schützen. Bis heute wird der Agrarsektor der EU massiv subventioniert, was zu einer massiven Überproduktion von Agrarprodukten führt – die wiederum in andere Länder zu Dumpingpreisen exportiert werden und dort die lokale Landwirtschaft in Bedrängnis bringen. Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen Diskurs und Wirklichkeit hält die EU aber nicht davon ab, allerorten den Abbau von protektionistischen Maßnahmen zu fordern.

Weiterführende Informationen:
Protektionismus vs. Freihandel: https://derstandard.at/2000059883733/Protektionismus-versus-Freihandel

Liberalisierung des Welthandels
Alle geforderten Maßnahmen, die zum Abbau von Protektionismus führen, können auf einen Begriff gebracht werden: Liberalisierung. Die Liberalisierungsagenda verspricht, durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren den Handel zu dynamisieren, Wirtschaftswachstum zu fördern, neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand zu heben. Zentrale Instrumente sind dabei Deregulierung und Privatisierung.

Deregulierung
Primäres Ziel ist, staatliche Eingriffe (also Regulierungen) in die Wirtschaft zu verringern. Unternehmerisches Handel soll sich möglichst ungestört, nur den Marktregeln von Angebot und Nachfrage unterworfen, entfalten können. Eine der zentralen Maßnahmen ist die Deregulierung und Flexibilisierung des Arbeitsrechts. Für die Unternehmen liegen die Vorteile auf der Hand: Wenn etwa der Kündigungsschutz gelockert wird, ist es ihnen einfacher möglich, Angestellte zu entlassen, Werk- und Zeitverträge sparen Sozialabgaben ein, die Erschwerung gewerkschaftlicher Organisierung schwächt die Arbeiter*innenschaft uvm. Für die Angestellten bedeutet dies hingegen steigende Prekarisierung. Dieser Prozess lässt sich weltweit beobachten, in Deutschland z.B. seit der Agenda 2010, die neben vielen anderen Elementen auch das Arbeitsrecht aufweichte. Doch ungleich schwerer sind Menschen dort betroffen, wo jegliche soziale Absicherung von staatlicher Seite fehlt. Die sogenannten Weltmarktfabriken, hier insbesondere Textilunternehmen, sind inzwischen praktisch zu einem Synonym für ausbeuterische Arbeitsstrukturen geworden. Die Unternehmen profitieren hier massiv von den Dergulierungsmaßnahmen der letzten Jahrzehnte.

Weiterführende Informationen:
Studie zu den Neuverhandlungen des Globalabkommens EU/Mexiko, u.a. mit einem Kapitel zur Maquila-Industrie: https://www.fdcl.org/wp-content/uploads/2017/05/FDCL_EUMEX_FTA_web.pdf
Über die Maquila-Industrie in El Salvador: http://blogs.taz.de/latinorama/2015/07/07/maquilas-in-zentralamerika-sie-verstehen-die-armut-zu-steuern/

Privatisierung
Die Forderung nach einer Ausweitung der Privatisierung stehen in derselben ideologischen Tradition, wie Liberalisierungs- und Deregulierungsbestrebungen. Auch hier wird davon ausgegangen, dass sich der Staat auf den kleinstmöglichen Einfluss beschränken sollte und dass freier Wettbewerb zwischen den Unternehmen das beste Ergebnis für alle hervorbringe. Auch die Privatisierung wird von allen wichtigen Institutionen und Akteuren vorangetrieben, mit dem Argument, dass der Staat zu teuer und bürokratisch wirtschafte, Unternehmen hingegen wesentlich effizienter arbeiten würden. Die Welle der Privatisierung hat inzwischen den gesamten Globus überspült, längst nicht nur die Länder des globalen Südens sind betroffen – auch Staaten, wie Griechenland, die sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise befinden, wurden dazu genötigt, viele vormals staatliche Unternehmen an (ausländische) Investoren zu verkaufen.
Auch hier sind die Auswirkungen alles andere als positiv, von den Folgen sind wiederum die Armen ungleich härter betroffen: Werden entscheidende Sektoren der Daseinsfürsorge privatisiert, wie Wasser, Gesundheit oder Bildung, werden sie zu Waren, die gehandelt und erkauft werden müssen.

Am Wasser zeigt sich das deutlich: Seit den 90er Jahren wurde die Privatisierung der Wasserversorgung weltweit vorangetrieben. Versprochen wurden bessere Leistungen und damit Vorteile für die Konsument*innen. Dieses Versprechen hat sich aber in den seltensten Fällen eingelöst. In Bolivien z.B. stiegen nach der Privatisierung der Wasserversorgung die Wasserpreise drastisch und Brunnen wurden versiegelt, damit die Menschen keine Alternative hatten, als das teure Wasser von dem Unternehmen zu kaufen. Dies führte zu massiven Demonstrationen, die schließlich die Rücknahme der Privatisierung der Wasserversorgung erwirkten. Dieser Konflikt ging als „Der Wasserkrieg von Cochabamba“ in die Geschichte ein.
Doch auch in Europa kommt es nach einer Phase der konsequenten Privatisierung zu vermehrter Rekommunalisierung. In Frankreich, aber auch in Deutschland gehen immer mehr Wasserbetriebe wieder in kommunale Hand über. Denn auch hier haben sich die Versprechen nicht eingelöst: Die Preise sind gestiegen, der Service hingegen nicht. Profitiert haben einzig die Unternehmen, die satte Gewinne einstreichen konnten.

Weiterführende Informationen:
Wasserhahn auf, Geldhahn zu (2017): https://www.fdcl.org/wp-content/uploads/2017/09/Dossier_16_Schiedsgerichte_web.pdf
Berliner Wassertisch: Verraten und verkauft (2012): https://berliner-wassertisch.net/assets/kampas/Flyer_verraten.pdf
Arte-Dokumentation über Wasserprivatisierung: https://www.youtube.com/watch?v=G3swTT_RwUg

Was tun?
Welthandel ist eine Tatsache, die mit vielen Vorteilen und positiven Errungenschaften verbunden ist. Wie er heute funktioniert, nützt er allerdings nur wenigen – obwohl das Gegenteil immer wieder versprochen wird. Zwar schafft Welthandel Wohlstand, er verteilt ihn aber nicht gerecht.
Ziel kann es nicht sein, den Welthandel „abzuschaffen“ und das Rad der Gloablisierung wieder zurückzudrehen. Es geht aber darum, eine Diskussion darüber anzustoßen, wie der Handel gestaltet sein soll, dass er tatsächlich allen zugute kommt und nicht nur wenigen großen Unternehmen. Und es geht darum, in Frage zu stellen, dass das bestehende Wirtschaftssystem das einzig mögliche und somit alternativlos ist.

Jede Maßnahme ist gefährlich, die einzig aus einer ideologischen Grundhaltung heraus getätigt wird. Es ist gefährlich, so zu tun, als ob Protektionismus und Freihandel zwei Pole darstellen würden und das eine das andere ausschließen würde. Es sollte vielmehr gefragt werden, an welcher Stelle gerade Länder des Südens ein Recht darauf haben sollten, ihre Wirtschaft zu schützen und eben nicht in einen vermeintlich freien globalen Wettbewerb gezwungen werden, in dem sie nur verlieren können.

Es wird Kritik am bestehenden Handelssystem geübt und an verschiedenen Stellen werden kleinere und größere Alternativ-Vorschläge entwickelt. Zwar sind diese Vorschläge bisher in der Diskussion noch wenig hörbar, sie vermitteln aber eine Idee davon, dass unser Handels- und Wirtschaftssystem vielleicht doch nicht so alternativlos ist, wie es häufig erscheint.

Weiterführende Informationen:
Das Alternative Handelsmandat: http://www.attac.de/fileadmin/user_upload/Kampagnen/ttip/ATM-deutsch-neu-12-2016.pdf

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