Das FDCL hat 2018 eine Studie von Germán Alarco Tosoni (Professor an der Pacifico Business School und der Universität del Pacifico in Lima)  und  César Castillo García (Professor an Universität del Pacifico in Lima)  veröffentlicht, die die Auswirkungen des Handelsabkommens zwischen der EU und Peru hinsichtlich einiger ökonomischen Entwicklungen analysiert. Der Originaltitel lautet: Análisis y propuestas sobre el TLC de Perú con la Unión Europea ¿Dónde estamos cinco años después y hacia dónde vamos? und kann auf der verlinkten Seite als pdf heruntergeladen werden.

Im folgenden die Übersetzung der Einleitung und der Schlussfolgerungen der spanischsprachigen Studie.

Analyse und Empfehlungen zum Handelsabkommen zwischen Peru und der Europäischen Union

Wo stehen wir nach fünf Jahren und wo geht es hin?

Einführung

Die jüngsten Veränderungen in der internationalen Handelspolitik bieten eine ideale Gelegenheit, die Freihandelsabkommen (FTA) zu überdenken. Im Mai 2018 endeten die Neu-Verhandlungsrunden des FTA für Nordamerika (NAFTA) ohne Einigung. US-Präsident Trump kündigte an, das Thema nach den Wahlen zum Repräsentantenhaus in den USA im November 2018 wieder aufzunehmen. Er ziehe bilaterale Verträge dem aktuellen trilateralen Vertrag vor. Kanada und Mexiko hatten diese Vorschläge abgelehnt, später jedoch diskret geschwiegen [Seit 30.09.2018 sind die Verhandlungen abgeschlossen und NAFTA heißt nun USMCA; Anm. d. Red.]. Insgesamt bekommen die Grundlagen des internationalen Handelssystems jedoch Risse aufgrund der kürzlich durch die USA auferlegten Zollbestimmungen für bestimmte Produkte u.a. aus Kanada, Europa, China und Mexiko. Die betroffenen Länder haben bereits Gegenmaßnahmen getroffen und bei der internationalen Handelsorganisation (WTO) diverse Klagen eingereicht.

Die internationalen Wirtschaftsaussichten sind erschüttert. Der Beitrag des internationalen Handels zum wirtschaftlichen Wachstum wird zwar nur von wenigen in Zweifel gezogen. Dennoch zeigt sich, dass die mittleren und großen Volkswirtschaften als Folge des geringeren globalen Wachstums, der höheren Arbeitslosigkeit und der größeren Ungleichheit, die auch die soziale Polarisierung verstärkt hat, stärker nach innen als nach außen schauen. Es scheint sich hierbei um ein generelles Phänomen zu handeln und nicht nur um die Probleme rund um den Brexit und den Wahlsieg Trumps. Bereits seit 10 Jahren besteht eine geringere internationale Wirtschaftsdynamik und diese trägt immer weniger zum Wirtschaftswachstum bei. Zu diesem Phänomen kommen zwei weitere Elemente hinzu. Erstens scheinen die FTAs in eine Phase geringerer Wirkung eingetreten zu sein – ihr Beitrag zum Handel sinkt. Zweitens wachsen die internationalen Märkte in geringerem Maße, weil als Resultat des neoliberalen Modells die geringeren Löhne und Gehälter auf globaler Ebene zu weniger Wachstum führen.

In jedem Fall müssen neue Möglichkeiten für die lokale Produktion und Exporte geschaffen und genutzt werden und dabei sollten wir bezüglich der Exporte anderer Länder nach Peru weniger naiv sein. Die Politik der Freihandelsabkommen müsste durch eine strategische Handelspolitik ersetzt werden, die die Interessen unserer lokaler Produzent*innen und Arbeiter*innen stärker im Blick hat, ohne dabei in die neuen extremen Positionen zu verfallen.

Die peruanischen Handelsabkommen mit China und den USA haben zu einer negativen Handelsbilanz geführt, die nur durch höhere Preise für unsere Rohstoffe reduziert werden könnte. Die Exporte von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tragen zu diesem Ergebnis bei, wenn auch in geringerem Maße. Die Handelspolitik muss, wie in den meisten Volkswirtschaften üblich, von einer Verwaltungsbehörde analysiert und umgesetzt werden. Diese muss Themen der Produktion und der Diversifizierung der Produktion mit den Hersteller*innen und der Zivilgesellschaft abstimmen. Dazu ist eine gesamtwirtschaftliche Perspektive notwendig und nicht lediglich eine Handelsperspektive.

Ein wichtiges anhängiges Thema bezieht sich auf die Politik der Wechselkurse. Diese darf sich nicht an kurzfristigen Kriterien der Zentralbanken, sondern muss sich an mittel- und langfristigen Kriterien ausrichten. Die Aufwertung der nationalen Währung und eine generelle Öffnung der Märkte hat nicht nur die Importe unverhältnismäßig erhöht und die Handelsbilanz verdorben, sondern hat sich auch negativ auf die landwirtschaftliche und Warenproduktion sowie auf weitere Sektoren ausgewirkt. Aufgrund höherer Exportergebnisse stieg das Produktionspotential, was allerdings durch höhere Importpreise wieder konterkariert wurde.

Es gibt kein allgemeingültiges Rezept für die Handelspolitik von Volkswirtschaften in sog. Entwicklungsländern, denn es spielen jeweils viele Besonderheiten mit. Dennoch ist klar, dass die Diversifizierung der Produktion das Zentrum der Wirtschaftspolitik bilden und die Handelspolitik bestimmen muss, nicht umgekehrt. Ebenso müssen diese Politiken eingebettet sein in eine Währungspolitik, strategische Planung für Wissenschaft/Technik und Innovation, die Förderung ausländischer Investitionen und in eine Einkommenspolitik. Eine weitere Schlüsselstellung haben die Industriepolitik, die Bildung und Stärkung von Wirtschaftssektoren (Clustern) und die Investition in Humankapital. Auch der Zeitfaktor spielt eine Rolle. So ist die Analyse der Erfahrungen aus den heute entwickelten Ländern ein zentrales Element, das es zu berücksichtigen gilt. Es ist nie zu spät, um Politiken und Strategien zu verbessern.

Dieses Dokument verfolgt unterschiedliche Ziele. An erster Stelle wird eine Analyse des internationalen Handels und von Warengruppen bezüglich des weltweiten BIP durchgeführt. Dabei wird die Beziehung zwischen den Freihandelsabkommen und den internationalen Handelsvolumen ausgewertet.

An zweiter Stelle wird die Wichtigkeit des peruanischen Außenhandels in Bezug auf die vier Handelsblöcke bewertet: gibt es einen Handelsüberschuss, sind die Beziehungen defizitär und wie ist die Tendenz? An dritter Stelle wollen wir die Durchdringung der peruanischen Exporte in die Handelsblöcke messen und dabei das Beispiel der Europäischen Union (EU) in den Vordergrund stellen.

Viertens wird nach fünf Jahren des FTA Peru – EU der Außenhandel mit der EU im Detail analysiert bzgl. des harmonisierten Systems der UN, des wirtschaftlichen Nutzens und Ziels (Cuode) sowie des technologischen Niveaus. Außerdem wird die Konkurrenzfähigkeit der Hauptexportprodukte analysiert. Fünftens bestimmen wir das Produktionspotential auf Grundlage des Außenhandels und schließen mit Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik mit dem Ziel, den Beitrag des Außenhandels zum BIP zu verbessern.

Das Dokument beinhaltet sechs Kapitel und die Schlussfolgerungen. Im ersten Kapitel wird das globale Panorama des internationalen Handels und des BIP vorgestellt. Im zweiten Kapitel wird der internationale Handel Perus mit den wichtigsten Handelsblöcken, vor allem mit der EU, analysiert. Das dritte Kapitel zeigt die relative Wichtigkeit der peruanischen Exporte in die wichtigsten Handelsblöcke. Das vierte Kapitel schlüsselt die Exporte und Importe unter verschiedenen Klassifizierungssystemen auf. Das fünfte Kapitel präsentiert die Bestimmung des Produktionspotentials basierend auf dem Außenhandel. Das letzte Kapitel stellt Empfehlungen vor, um den Beitrag des Außenhandels für das Produkt zu verbessern.

Dieses Dokument analysiert weder die Auswirkungen des Handelsabkommens auf bestimmte Wirtschaftssektoren noch die Kapitel das Abkommens, die Themen außerhalb des internationalen Warenhandels betreffen.

Schlussfolgerungen

Kürzlich jährte sich das Inkrafttreten des FTA mit der Europäischen Union zum fünften Mal. Obwohl dies für eine umfassende Auswertung ein relativ kurzer Zeitraum ist, können bereits erste Tendenzen analysiert werden. Untersuchungen des peruanischen Außenhandelsministeriums und Kongresses zeigen dabei Licht und Schatten.

Der zeitlich vorgesehene Rahmen für Zollvergünstigungen wurde beibehalten. Allerdings sind weder die Exporte noch die Importe kontinuierlich gestiegen, in einigen Jahren sogar gesunken. Gründe dafür können im geringeren Wirtschaftswachstum in Peru und in Ländern der EU liegen. Im Unterschied zu den FTAs mit den USA und China weist das FTA mit der EU eine für Peru positive Handelsbalance auf, auch wenn sich diese abschwächt. Auf der positiven Seite muss festgestellt werden, dass die nicht-traditionellen Exporte gestiegen sind – insbesondere diejenigen von landwirtschaftlichen Gütern. Auf der anderen Seite sind die traditionellen Exporte genauso wie die Verarbeitung dieser Exportgüter gesunken.

Die Diversifizierung von Produkten ist gering und war in dem betrachteten Zeitraum nicht nachhaltig. Ebenso sind lediglich 25% der 2013 exportierenden Firmen auch 2016 noch im Exportsektor aktiv.

Früher wurde in der Regel davon ausgegangen, dass der internationale Handel im Volumen und Wert in größerem Maße ansteigt als das weltweite reale Bruttoinlandsprodukt. Wenn wir heute Produktgruppen und verschiedene Zeitphasen betrachten, müssen wir feststellen, dass dies nicht mehr zutrifft. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts und in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts war die Entwicklung des Handelsvolumens von Energierohstoffen und Mineralien geringer als die Entwicklung des weltweiten BIP. Gleichzeitig waren das verarbeitende Gewerbe und Agrarprodukte führend. Dies ist eine wichtige Frage bei der Auswahl des Exportwarenkorbs in der Zukunft. Während Peru seinen Warenkorb für den Export beibehalten hat, haben Südkorea und China ihre Warenkörbe in nur 25 Jahren modifiziert hin zu technologisch höherwertigen Produkten indem sie dem Prinzip des Lebenszyklus von Produkten folgten.

Das Volumen des internationalen Exports wächst zurzeit weniger als das reale weltweite BIP in den ersten fünf Jahren des 21. Jahrhunderts. Der Quotient beider Kennziffern fällt, auch wenn er sich in den vergangenen Jahren stabilisiert hat. Die internationale Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 mit ihren bis heute andauernden Folgeerscheinungen erklären zum größten Teil diese Ergebnisse. Obwohl seitdem bereits neun Jahre vergangen sind, halten die Tendenzen jedoch an. Auch der Brexit und die Wahl Trumps weisen in die gleiche Richtung: Sie reflektieren den Anstieg nationaler Gefühle, die scheinbar auch den internationalen Handel berühren, indem sie den Blick nach innen auf die eigenen Ökonomien richten. Neben Großbritannien und den USA sind auch in weiteren Ländern der Welt nationalistische Parteien stärker präsent.

Die abflauende Tendenz des internationalen Handels in Bezug auf das BIP darf nicht dazu führen, dass wir die Hände in den Schoß legen. Wir müssen neue Produkte und Märkte und eine größere Teilhabe an den internationalen Wertschöpfungsketten suchen. Die Bemühungen, die Herstellungs- und Exportstrukturen zu diversifizieren, sind dabei wesentlich. Wir müssen zu einer Industriepolitik zurückkehren, die sowohl die nationale Ebene als auch die verschiedenen Regionen des Landes einbezieht; das gilt auch für die Wechselkurspolitik. Die vor uns liegende Aufgabe ist schwierig, denn empirische Zahlen zeigen, dass sich die Wirkung von mehr internationalem Handel durch neue FTAs abschwächt. Anstatt eine traditionelle Handelspolitik mittels mehr FTAs, müssen wir eine Industriepolitik voranzutreiben, die sich auf die Diversifizierung der Produkte konzentriert. Alarco (2014a) präsentiert eine Vielzahl von spezifischen Politiken, die es einzuführen gilt.

Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die geringere Dynamik des internationalen Handels aus der internationalen Finanzkrise und den daraus resultierenden geringeren internationalen Wachstumserwartungen hervorging. Die steigende Präsenz von nationalistischen Regimen ist kein gutes Signal an die Welt. Dazu kommen die fallenden Tendenzen bzgl. des Anteils von Löhnen und Gehältern am weltweiten BIP, die die Nachfrage und die Größe der globalen Märkte verringern. Geringere Löhne frühen zu weniger Nachfrage, weniger Produktion und weniger internationalem Handel. Hinter diesem Phänomen stehen die inhärenten Neigungen des kapitalistischen Systems, indem mehr Kapital pro Arbeiter*in veranschlagt wird (speziell durch Automatisierungen und den Einsatz von Robotern) und die neoliberalen Politiken, die eine Verringerung von Arbeitskosten und eine Deregulierung anstreben. Eine Studie der Universität Oxford und der Citybank (2016) schätzt, dass im Wirtschaftsraum der OECD im Jahr 2035 nur noch 57% der heutigen Arbeitskräfte benötigt werden. Der zügellose Wettlauf vieler Volkswirtschaften, die Löhne zu kürzen, führt unweigerlich zu einer Stagnation der Nachfrage und der globalen Produktion. Gleichzeitig führen weitere FTAs zu geringen Resultaten.

Es ist nicht zu bestreiten, dass die FTAs den peruanischen Exporteuren neue Möglichkeiten eröffnen. Dennoch zeigt sich mit etwas Abstand betrachtet, dass die Gesamtheit der Exporte aus Peru nach China, USA und in die EU bedeutungslos ist, denn sie repräsentiert lediglich zwischen 0,06% und 0,55% der Gesamteinfuhren aus diesen Ländern. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass nach Informationen der Weltbank Peru lediglich etwas mehr als 0,2% des weltweiten BIP und Handels ausmacht. Was ihre Wichtigkeit anbelangt, stehen die Exporte an China an erster Stelle, gefolgt von den USA und an dritter Stelle ist zu beobachten, dass die Exporte in die EU seit 2015 ansteigen. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Tendenz fortsetzt.

Unter den peruanischen Exportgütern in die EU stehen Rohstoffe und Halbfertigprodukte an erster Stelle, gefolgt von kurzlebigen Konsumgütern. Einen minimalen Anteil haben Kapitalgüter, Baustoffe und langlebige Konsumgüter. Der asymmetrische Handel zwischen Peru und der EU ist unwiderlegbar. Peru exportiert hauptsächlich Rohstoffe und rohstoffbasierte Güter in die EU. Technologieprodukte auf geringen, mittlerem oder hohem Niveau machen nur einen geringen Anteil aus. Auf der anderen Seite exportiert die EU Produkte auf mittlerem und hochtechnologischem Niveau nach Peru. Es ist hervorzuheben, dass die EU außerdem auch rohstoffbasierte Güter und sogar einige Rohstoffe nach Peru exportiert.

Unglücklicher Weise exportieren wir noch immer fast das gleiche nach Europa. Die 20 hauptsächlichen Exportprodukte in die EU bilden 68% der Gesamtexporte (2017). Dennoch gab es eine gewisse Diversifizierung, denn im Jahr 2005 waren es noch 83%.

Aus einer Perspektive des halbvollen Glases ergibt sich folgendes Bild: bei 11 dieser 20 Produkte steigt nicht nur ihr Anteil in der Exportquote Perus in die EU, sondern sie erreichen auch einen höheren Anteil an den Importen dieses Handelsblocks. Aber alle diese Produkte sind Lebensmittel oder Rohstoffe: Gold, Fischmehl, Avocados, Kupferdraht, raffiniertes Zink, Molybdän, Heidelbeeren, Mangos, Bananen und weitere Mineralien.

Laut des Modells von Thirlwall (2003) sind die FTAs wichtig, um unsere Möglichkeiten zu erweitern, mehr und in anderer Form zu exportieren und das potentielle BIP der peruanischen Wirtschaft zu erhöhen. Wenn dies allerdings mit einem signifikanten Fall des realen Wechselkurses einhergeht, steigt in direkter Folge die Importelastizität. Dies führt zu einem überproportionalen Anstieg der Importe, der die inländischen Einkünfte und die Nachfrage ins Ausland verschieben. Folglich kommt es nicht zu einer Steigerung des BIP – trotz höherer Exporte.

Das größte Wachstum erfuhr das potentielle BIP in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts: 7,5% jährliches Wachstum in erster Linie aufgrund der geringeren Importelastizität von 0.54, obwohl die Exporte um 4,1% jährlich wuchsen. Die zweite große Wachstumsperiode des potentiellen BIP ist im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts anzusiedeln. Die Exporte stiegen um 7,1%, obwohl die größere Importelastizität von 1.6 die Wachstumsrate des potentiellen BIP um 4,3% jährlich nach unten verschob. In den Jahren 2010 bis 2017, während das FTA mit der EU in Kraft trat, reduzierte sich sowohl das Wachstum der realen Exporte als auch die Importelastizität. Eine drastische wirtschaftliche Öffnung für Importe verringert die Wachstumsrate des potentiellen BIP.

Niemand kann die Wichtigkeit des Außenhandels für jedwede Volkswirtschaft in Frage stellen. Ebenso offensichtlich beeinflusst eine Strategie, die die Wirtschaft geschlossen hält, nicht nur deren Effizienz, sondern auch ihre Möglichkeit des wirtschaftlichen Wachstums. Es kann mit Sicherheit gesagt werden, dass die FTAs ein weiteres Teilchen innerhalb einer generellen Wachstumsstrategie darstellen, aber sie sind keine Erfolgsgarantie. Sie sind kein Allheilmittel, das alle Probleme löst, vor allem nicht die von unterentwickelten Volkswirtschaften.

Die mexikanische Wirtschaft – eingefügt in die globalen Wertschöpfungsketten, allerdings mit niedrigem Wirtschaftswachstum und hoher Armutsrate – ist ein Beispiel für die Notwendigkeit, andere Politiken zusätzlich zu den FTAs zu implementieren, deren ausführliche Behandlung dieses Dokument überschreitet. Anhängige Themen in Mexiko müssten folgende Punkte berücksichtigen: eine neue Einkommenspolitik (insbesondere der Anteil der Löhne an der Wertschöpfung muss steigen), Investitionen in Infrastruktur, eine eigene wissenschaftlich-technische Politik mit einem Schwerpunkt auf Innovation, einer Industriepolitik unter anderem (Ros 2015).

In einem vorherigen Dokument haben wir diskutiert, dass die theoretische Grundlage, die die traditionelle Handelspolitik für gültig erklärte, die neoklassische Theorie des internationalen Handels mit ihren von vielen Autoren herausgestellten Beschränkungen war. Sie geht als Prämisse wie auch als Schlussfolgerung von einer Welt aus, in der lokale Wirtschaftseinheiten und Unternehmen einem vollkommenen Wettbewerb ausgesetzt sind. Sie lässt den unvollkommenen Wettbewerb außen vor, der Asymmetrien in einer Welt, in der die hauptsächlichen globalen Unternehmen wirtschaftlich größer sind als viele Länder sowie den realen konstanten und steigenden Erträgen. Sie gründen auf den Begriff des ceteris paribus (alle anderen Variablen bleiben unverändert, Anm. d. Red.), und berücksichtigen nicht, dass die Veränderungen in den Bedingungen des Angebots notwendiger Weise gleichzeitige Auswirkungen auf die Einkünfte und damit auf die Nachfrage der privaten Haushalte und der Unternehmen sowie auf die Einkünfte von Regierungen haben. Sie vergessen außerdem die Geschichte der heutigen entwickelten Länder, die protektionistische Politiken angewandt haben, um das zu erreichen. Sie lassen Möglichkeiten unberücksichtigt, die einige Länder mittels spezifischer Wirtschaftsförderung genutzt haben. Sie vergessen, dass für die Nutzung komparativer Kostenvorteile Wissen und Kapazitäten grundlegend sind. Diese werden im Laufe der Zeit aufgebaut und erfordern vorherige Ressourcen. Im Extremfall können dynamische komparative Kostenvorteile durch Lernen, durch Produktion und kontinuierliches Verbessern erreicht werden (Alarco 2015).

Ex post können viele Lehren daraus gezogen werden, wie man sich wirkungsvoll und effizient in die internationale Wirtschaft einfügen kann. Unglücklicherweise folgten die meisten lateinamerikanischen Volkswirtschaften den gleichen unglücklichen Rezepten und sie ließen die Erfahrungen der asiatischen Volkswirtschaften außer Acht. Die FTAs können nicht als isolierte Politiken wirken, weil damit lediglich mittelmäßige Resultate erzielt würden. Sie müssen durch eine Wechselkurspolitik begleitet werden, die eine Aufwertung der nationalen Währung vermeidet ebenso wie durch eine strategische Planung, die sich an den Signalen des Marktes orientiert, um die Richtung, die Strategien und Anreize festzulegen. Es werden begleitende Politiken gebraucht, damit sie Erfolg haben. Das timing ist zentral, Industriepolitik hat Vorrang vor der Handelspolitik. Natürlich ist die Analyse des Beitrags aller hier besprochenen Politiken komplex und immer diskussionswürdig.

Abgesehen davon dürfen Anpassungen und Änderungen, die an bestehenden FTAs vorgenommen werden müssen, nicht verworfen werden. Auch wenn es etwas spät ist, kann man immer noch aktiv werden: industriepolitisch, wissenschaftlich-technische Innovationen fördern, anbieten von Kooperationen mit ausländischen Investitionen, investieren in menschliches Kapital u.a.. Weder die Verträge noch ihre einzelnen Kapitel sind geschlossen. In erster Linie muss ein enges und kontinuierliches follow-up gemacht werden, um Abweichungen und gefährliche Tendenzen festzustellen. Zweitens müssen auf breiter Linie Alternativen identifiziert und geplant werden. Drittens muss eine Analyse der Erträge/Kosten zum aktuellen Nettowert erstellt werden. Viertens müssen die konkreten Inhalte und eine Strategie für eine Wiederaufnahme von Verhandlungen definiert werden. Der Brexit und der scheinbare Bruch des FTA mit Nordamerika müssen uns veranlassen, die aktuelle Handelspolitik zu ersetzen durch eine strategische Handelspolitik, die auf der Diversifizierung der Produkte, einer Industriepolitik und anderer vorher erwähnter Politiken basiert. Es wurden Fehler gemacht und die Handlungsspielräume sind gering, aber wir können die Hände nicht in den Schoß legen.