Das FDCL hat 2017 eine Studie von Myriam Vander Stichele (SOMO) über die Auswirkungen des Handelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien und Peru über die Rolle der in den Handelsabkommen enthaltenen Liberalisierung von Finanzdienstleistungen und Kapitalströme auf Drogenhandel, Geldwäsche und Vermeidung oder Hinterziehung von Steuern. Der Originaltitel lautet: Trade and Investment in Financial Services and Free Capital Movement: The Effects on Money Laundering and Tax Avoidance. Im folgenden die Übersetzung der Einleitung und der Schlussfolgerungen der englischsprachigen Studie.
Einleitung
Die EU verfügt über ein umfassendes Handelsabkommen (FTA) mit Kolumbien und Peru.1 Es wird mit Peru seit dem 1. März 2013 und mit Kolumbien seit dem 1. August 2013 vorläufig angewandt. Ecuador ist diesem Handelsabkommen am 1. Januar 20172 beigetreten, dies wird jedoch von dem vorliegenden Report nicht umfasst.
Als im Dezember 2012 das FTA vom Europäischen Parlament ratifiziert wurde, warnte ein Forschungsbericht vor Risiken durch eine Zunahme von Geldwäsche und Steuerhinterziehung aufgrund von FTA-Regelungen, wie zum Beispiel zum freien Kapitalverkehr und zur Liberalisierung von Finanzdienstleistungen.3 Ein umfassender Forschungsbericht zur Aufnahme von Finanzdienstleistungen in Handels- und Assoziierungsabkommen der EU, der vom Referat für ex-post Folgenabschätzung des Europäischen Parlaments verfasst wurde, bestätigte diese Risiken.4 Ein dritter Bericht der Europäischen Kommission über das EU – Kolumbien & Peru FTA5 hingegen, erwähnt diese Themen und Risiken, die wichtige Auswirkungen auf spezielle Teile der Gesellschaft und der Wirtschaft haben, nicht. Ein kürzlich erschienener Bericht des Parlaments zur Evaluierung des EU – Kolumbien & Peru FTA erwähnt verschiedene Vorhaben der EU mit Kolumbien und Peru zu Geldwäsche, Drogenhandel und Steuerfragen, die außerhalb des FTA angesiedelt sind.6
Der vorliegende Report möchte einzelne Probleme aufgreifen, die bei einer Evaluierung und Diskussion des EU – Kolumbien & Peru FTA berücksichtigt werden sollten, damit Maßnahmen ergriffen werden können, um negativen Entwicklungen im Hinblick auf illegale Geschäfte, Auslandsinvestitionen und den Finanzsektor entgegenwirken zu können.
Methodik des Reports
Der vorliegende Report ist das Ergebnis eines Kurzauftrags zur Untersuchung und Aktualisierung einiger Aspekte, die in dem Bericht7 “Free Trade Agreement EU – Colombia & Peru: deregulation, illicit financial flows and money laundering” (Dezember 2012) aufgeworfen wurden. Der Fokus dieses Reports beschränkt sich auf die Rolle der im FTA enthaltenen Liberalisierung der Finanzdienstleistungen und Kapitalströme auf Drogenhandel, Geldwäsche und Vermeidung oder Hinterziehung von Steuern. Es sind Themen, die miteinander verbunden sind. Die im Rahmen dieses Kurzauftrags durchgeführten Untersuchungen umfassen auch einige Erkenntnisse über die Auswirkungen des FTA fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten; wenn auch unvollständig. Der vorliegende Report bezieht sich häufig auf die umfassende Forschungsstudie8 des Referats für ex-post Folgenabschätzung des Europäischen Parlaments über die Einbeziehung von Finanzdienstleistungen in die Freihandels- und Assoziierungsabkommen der EU. Diesem Bericht, der denselben Fokus hat und dieselben Themen beleuchtet, wie der vorliegende Report, liegen umfassende Untersuchungen zugrunde.
Die Forschungen wurden stark erschwert durch das Fehlen von Statistiken und neueren Daten, darunter auch Standarddaten wie zum Beispiel Zahlen über Portfolio-Investitionen des IWF. Auch standen Evaluierungen des Finanzsystems oder des Anti-Geldwäschesystems in diesen beiden Ländern nicht zur Verfügung. Der Inhalt dieses Reports ist daher begrenzt auf die verfügbaren Informationen. Das Fehlen offizieller Zahlen ist beunruhigend: Es stehen nicht genügend offizielle Studien, Evaluierungen, Informationen und Daten zur Verfügung, die es erlauben die Auswirkungen des FTA zu kontrollieren und zu bewerten und mit neuen und problematischen Entwicklungen umzugehen. Im Rahmen dieses Reports wurden die vorläufigen Ergebnisse der Untersuchungen zu den Finanzflüssen und Tochtergesellschaften des brasilianischen Bauunternehmens Odebrecht dem Unternehmen für eine Stellungnahme übermittelt. Die Antworten wurden im Report berücksichtigt.9
Inhalt des Reports
Der Report wirft zuerst einen Blick auf die Entwicklung des Drogenhandels zwischen der EU, Kolumbien und Peru seit 2013. Dann werden verschiedene Aspekte von Geldwäsche und Steuerhinterziehung betrachtet: ihre Beziehung zum FTA und Maßnahmen die seitens der EU und seitens Kolumbien und Peru diesbezüglich getroffen wurden. In den darauffolgenden Kapiteln werden Probleme der Kapitalströme, die in Verbindung zu Auslandsinvestitionen stehen, beleuchtet und dargestellt, wie diese Probleme im Rahmen der Evaluierung des FTA durch die EU nicht berücksichtigt werden. Schließlich zeigt der Report auf, welche Auswirkungen der Handel mit Dienstleistungen hat und dass die Europäische Kommission, die die Handelsabkommen verhandelt, das nicht berücksichtigt.
Fazit/Schlussfolgerungen
Dieser Report hat spezielle Aspekte der Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen der EU und Kolumbien & Peru beleuchtet, und zwar die Rolle der in den Handelsabkommen enthaltenen Liberalisierung von Finanzdienstleistungen und Kapitalströme auf Drogenhandel, Geldwäsche und Vermeidung oder Hinterziehung von Steuern. Diese Themen beziehen sich sowohl auf die Inhalte des FTA, als auch auf die Rahmenbedingungen in denen das Handelsabkommen umgesetzt wird. Dieser Kontext wird nicht immer berücksichtigt. Aus den im Rahmen des Auftrags für diesen Report durchgeführten Untersuchungen und unter Berücksichtigung der begrenzten Verfügbarkeit von Daten ziehen wir folgende Schlüsse:
- Aufgrund des Mangels an aktuellen Statistiken, inklusive jener Standarddaten, die gewöhnlicherweise vom IWF zur Verfügung gestellt werden, kann eine umfassende wirksame Analyse der Auswirkungen des EU – Kolumbien & Peru Handelsabkommens auf die Finanzsektoren in beiden lateinamerikanischen Ländern nicht durchgeführt werden.
- Seit 2013, als das FTA in Kraft trat, sind zwei neue Entwicklungen zu verzeichnen, die ein Risiko sowohl für die Länder der EU als auch die lateinamerikanischen Gesellschaften darstellen: 1) der Handel mit synthetischen Drogen aus der EU nach Lateinamerika hat zugenommen. Dies wird durch offene Grenzen begünstigt; 2) Steuervermeidung und -hinterziehung geschieht in zunehmendem Maße durch Transfer-Pricing, d.h. durch Preismanipulationen beim Handel innerhalb eines Unternehmens und zwischen Unternehmen.
- Der Kokainhandel von Peru und Kolumbien mit der EU geht weiter und hat wahrscheinlich zugenommen, da Statistiken in der EU einen Anstieg des Drogenkonsums ausweisen. Dies bedeutet auch ein höheres Geldwäsche-Risiko.
- Der Kokainhandel in die EU hat zu Korruption an den Außengrenzen der EU geführt, beispielsweise sind Fälle in den Niederlanden nachgewiesen worden. Berichten zufolge sucht das europäische organisierte Verbrechen zunehmend Verbindungen zum organisierten Verbrechen in Lateinamerika.10
- Die Kokainherstellung in Kolumbien ist seit 2013 angestiegen. Dies bedeutet, dass man im Allgemeinen nicht schlussfolgern kann, dass das FTA mit der EU Möglichkeiten für Bauern geschaffen hat, um auf legale landwirtschaftliche Erzeugungsformen umzustellen. Die Zunahme der Agrarexporte der EU nach Kolumbien erhöht möglicherweise das Risiko, dass Bauern keine legalen Formen der landwirtschaftlichen Erzeugung finden. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieses Reports konnte nicht herausgefunden werden, welche direkten Auswirkungen das EU – Kolumbien & Peru Handelsabkommen auf die Landwirtschaft in beiden lateinamerikanischen Ländern hatte. Beide Länder verfügen zudem auch über Handelsabkommen mit anderen Ländern, insbesondere mit den USA.
Die EU und einige ihrer Mitgliedsstaaten verfügen immer noch nicht über ausreichende und wirksame Maßnahmen um Geldwäsche und Steuervermeidung oder -hinterziehung zu verhindern, auch wenn einige der Maßnahmen angepasst und strikter ausgestaltet wurden. - Die Hauptströme der ausländischen Direktinvestitionen aus und nach Kolumbien werden über Steueroasen und Niedrigbesteuerungsländer kanalisiert.
- Portfolioinvestitionen aus Schlüsselstaaten der EU sind nach dem Inkrafttreten des FTA angestiegen, insbesondere aus Luxemburg, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, Länder die über wichtige Finanz- und Investitionszentren, vorteilhafte Steuersysteme und Sitze von Briefkastenfirmen verfügen.
- Der vorliegende Report hat herausgefunden, dass Treuhandgesellschaften genutzt wurden, um Gelder vom korrupten brasilianischen Unternehmen Odebrecht nach Peru und Kolumbien zu transferieren. Dies geschah durch Mantel – und Holdinggesellschaften als Offshore Instrumente, durch zahlreiche Namens-, Eigentümer- und Adressänderungen sowie Geldtransfers innerhalb Luxemburgs. Die höchsten politischen Ebenen beider lateinamerikanischer Staaten wurden wegen Bestechung durch Odebrecht angeklagt und überführt. Es gab zwar keinen Beweis für eine Beteiligung von Luxemburger Tochtergesellschaften an den Bestechungshandlungen, jedoch gilt als wahrscheinlich, dass die Finanztöchter Odebrechts an der Steuervermeidung beteiligt waren indem sie Luxemburger Gesetze, das Luxemburg-Brasilien Doppelbesteuerungsabkommen, das bilaterale Investmentabkommen Luxemburg-Peru und das EU – Kolumbien & Peru FTA nutzten, weil es Kapitaltransfergarantien beinhaltet. Die Treuhandgesellschaft Mossack-Fonseca, die als wesentliches Instrument für weltweite Steuerhinterziehung im Rampenlicht stand, war in den Odebrecht Bestechungsskandal in Peru verwickelt. Mossack-Fonseca verfügte über Niederlassungen in Luxemburg und in anderen EU-Staaten. Dies verdeutlicht, dass – auch durch das Handelsabkommen EU – Peru & Kolumbien befördert – freie Kapitalbewegungen, Geheimhaltungsgarantien und fehlende Überwachung der Finanzströme, korrupten Unternehmen Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Geldwäsche ermöglichen. Dies stützt die Analysen anderer Studien, die darlegen, dass Anti-Geldwäsche-, Anti-Korruptions- sowie Anti-Steuervermeidungs- und -hinterziehungsmaßnahmen nicht wirksam umgesetzt werden. Wesentliche Gründe sind Schwächen bei den Kapazitäten und beim politischen Bemühen in Verbindung mit ungenügenden Kontrollmaßnahmen und Umsetzungen in den EU Mitgliedsstaaten selbst.
- Die Berichterstattung der Europäischen Kommission über die Umsetzung des EU – Kolumbien & Peru Handelsabkommens ignoriert komplett die Risiken und aktuellen Entwicklungen im Bereich von Geldwäsche, Steuervermeidung und -hinterziehung und Korruption, die einen Bezug zu ausländischen Direkt- und Portfolioinvestitionen aufweisen. Gleichzeitig konzentriert sich die Berichterstattung der EU auf Export- und Importzahlen und vernachlässigt dabei, dass das FTA auch Regeln und Leitlinien darüber enthält, was Länder regulieren dürfen, insbesondere im Dienstleistungsbereich. Das wiederum hat Auswirkungen auf die heimische Ökonomie und darauf, wie Bürger_innen geschützt werden können.
- Die Untersuchungen für diesen Report unterstützen die Erkenntnisse einer früheren, umfassenderen Studie für das Europäische Parlament dahingehend, dass „keine eindeutigen statistischen Zahlen gefunden wurden, die eine kausale Verbindung zwischen gegenwärtigen Handelsabkommen der EU und einer Zunahme unerlaubter Finanzströme nahelegen. Dennoch folgert diese Studie, dass durch die weitreichenden Verpflichtungen, die die EU und die Entwicklungsländer in den Handelsabkommen über Marktzugang für Güter und Dienstleistungen, einschließlich dem Bereich der finanziellen Dienstleistungen eingegangen sind, zu einer erheblichen Öffnung der Handelsbeziehungen führt und folglich auch zu einer zunehmenden Bedrohung durch Geldwäsche für die Entwicklungsländer.“ 11
- Das Handelsabkommen hat die Märkte in Peru und Kolumbien für Finanzdienstleistungen geöffnet und Kolumbien erlebte den Markteintritt eines EU Finanzdienstleisters. Aufgrund des begrenzten Rahmens dieses Reports war es schwierig Aussagen über die Auswirkungen des Handelsabkommen auf die Finanzsektoren dieser Länder zu treffen.
Die von EU Unternehmen erzielten Handelsüberschüsse bei Dienstleistungen und Auslandsinvestitionen in Kolumbien und Peru sind in den letzten Jahren angestiegen, mehr in Kolumbien als in Peru.
1 Handelsabkommen zwischen der EU und Kolumbien und Peru, http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=691 (aufgerufen am 1. Februar 2018).
2 EC, Andengemeinschaft, http://ec.europa.eu/trade/policy/countries-and-regions/regions/andean-community/ (aufgerufen am 1. Februar 2018); siehe auch http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-173_en.htm, und http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-749_en.htm .
3 M. Vander Stichele, Free Trade Agreement EU- Colombia & Peru: deregulation, illicit financial flows and money laundering, GUE/NGL, SOMO Dezember 2012.
4 I. Ioannides, Comprehensive ex post trade impact assessment on the inclusion of financial services in EU free trade and association agreements: Effects on money laundering, tax evasion and avoidance, European Parliament, EP 579.326, Juni 2016, S. 35-50, http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/579326/EPRS_STU(2016)579326_EN.pdf (aufgerufen am 23 Februar 2018).
5 EC, Third Annual Report on the Implementation of the EU – Colombia/Peru Trade Agreement, 10. Oktober 2017, COM(2017) 585 final, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52017DC0585&from=EN (aufgerufen am 28. April 2018).
6 A. Zygierewicz (Hg.), Trade agreement between the European Union and Columbia and Peru – European Implementation assessment, Europäisches Parlament, PE 621.834, Juli 2018, S. 57-59, http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2018/621834/EPRS_STU%282018%29621834_EN.pdf (aufgerufen am 15. August 2018).
7 M. Vander Stichele, Free Trade Agreement EU- Colombia & Peru: deregulation, illicit financial flows and money laundering, GUE/NGL, SOMO Dezember 2012.
8 I. Ioannides, Comprehensive ex post trade impact assessment on the inclusion of financial services in EU free trade and association agreements: Effects on money laundering, tax evasion and avoidance, European Parliament, EP 579.326, Juni 2016, S. 35-50, http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2016/579326/EPRS_STU(2016)579326_EN.pdf (aufgerufen am 23 Februar 2018).
9 Auf die Antwort wird in den Fußnoten des Berichts folgendermaßen Bezug genommen: ” Odebrecht, response by Legal Area OLI to the request for review of the Odebrecht information in the draft report, email of 24 July 2018 to M. Vander Stichele (Senior Researcher at SOMO)”.
10 Siehe UNODC, [Booklet 5], World Drug Report 2017, S. 19.
11 I. Ioannides, Comprehensive ex post trade impact assessment on the inclusion of financial services in EU free trade and association agreements: Effects on money laundering, tax evasion and avoidance, Europäisches Parlament, Juni 2016, S. 2.