Paris wird die Welt verändern – aber wie?
Wälder und Landwirtschaft im Pariser Abkommen
Von Thomas Fatheuer
Die Welt giert in schwierigen Tagen geradezu nach positiven Nachrichten – und das Pariser Klimaabkommen wir nun allerorten euphorisch gefeiert. Kritik hat es da nicht leicht, gleich steht man in der Ecke des ewigen Meckerers, der immer ein Haar in der Suppe findet. Aber es geht nicht um ein Haar, sondern um die Suppe.
Schauen wir also etwas genauer in den Wortlaut des Abkommens…
Im Vertrag werden fossile Energien nicht erwähnt, wohl aber etwas anderes, nämlich die Idee der Emissionsneutralität – auch wenn das Wort nicht auftaucht. Tatsächlich geht es um ein kritisches Konzept im Kontext der Klimadebatte. Wichtige internationale Akteure wie die Weltbank propagieren seit einiger Zeit die Idee von sogenannten „Netto Null“-Emissionen (zero net). Sowohl das Wort Netto wie auch der Ersatzbegriff „Emissionsneutralität“ verschwanden im Lauf der Verhandlungen aus dem Text, wohl weil viele zivilgesellschaftliche Organisationen aber auch einige Staaten hier eine Falle witterten. Nun kann man sehen wie Klimadiplomatie funktioniert, das Ziel wird jetzt so beschreiben: „to achieve a balance between anthropogenic emissions by sources and removals by sinks of greenhouse gases in the second half of this century.“
Die Reizwörter sind vermieden worden, aber die Grundidee hat es ins Abkommen geschafft. Ziel ist eine Balance zwischen Emissionen und der Sequestrierung und Speicherung von Emissionen. Was etwas verschroben klingt, hat ganz praktische Konsequenzen: Aufforstung ist überall nun ein großes Thema, statt Emissionen zu senken, kann man ja auch Bäume pflanzen und damit CO2 der Atmosphäre entziehen.
Anders als viele Kommentare vermuten lassen, bestimmt der Vertrag nicht, wie die langfristige Pespektive der „low carbon world“ erreicht werden soll. Und das ist der entscheidende Kritikpunkt am Pariser Abkommen. Es kann schon sein, dass die fossile Industrie schweren Zeiten entgegengeht, sie kann aber auch darauf setzen – und propagiert dies schon sehr aktiv – zum Teil der Lösung zu werden, etwa durch die Speicherung von CO2 im Boden, bekannt als CCS.
In diesem Kontext kann es dann auch weder überraschen noch erfreuen, dass REDD+ – also die Reduzierung von Entwaldung – eine hervorgehobene Erwähnung findet. Zahlreiche Proteste sozialer Bewegungen und indigener Völker richten sich gegen REDD+, weil hier Wälder zu CO2-Operateuren und zum Objekt von Verrechnungsmechanismen werden. Die Bedeutung, die REDD im Abkommen erhält, korrespondiert mit dem Ziel der Balance zwischen Emissionen und Senken.
Ein drittes Element des Abkommens vervollständigt nun das Bild. Länder können Emissionsverringerungen untereinander zum Erreichen ihrer Ziele austauschen. Das Abkommen erlaubt „the use of internationally transferred mitigation outcomes towards nationally determined contributions.“
Dies ist das positive Signal für den Ausbau von Emissionshandel und CO2-Märkten. Dabei können auch Industrieemissionen gegen Waldzertifikate getauscht werden. Einige Länder – wie Neuseeland und die Schweiz – haben bereits in ihre nationalen Klimaziele aufgenommen, dass sie diese auch durch CO2-Einsparungen in anderen Ländern erreichen wollen. Das Scheunentor für eine internationalen Ablasshandel ist in Paris weit geöffnet worden. Entsprechend positiv ist die Reaktion des Businesssektors auf diesen Paragraphen: „The reference is ‚critical in the context of the potential establishment of a crediting mechanism and to some degree to facilitate future potential emissions trading systems linkages‘ said Yann Andreassen, senior analyst at ICIS Tschach Solutions.“
http://www.reuters.com/article/us-climatechange-summit-carbon-idUSKBN0TW07M20151213
Paris verfestigt die Perspektive, die Entwicklung der Welt vornehmlich durch die CO2-Brille zu sehen und immer mehr Bereiche der Produktion und der Natur in eine CO2-Buchhaltung – die Carbon Metrics – einzubeziehen. Paris ist das Fanal, CO2-Buchhaltung auszudehnen, bis die Welt CO2 neutral gerechnet ist. Es ist eben kein Fanal für das Ende der fossilen Energie.
Die kommenden Kämpfe
Für eine zukünftige CO2 neutrale Welt (oder dekarbonisierte, oder low carbon oder net zero… wie auch immer) wird Landnutzung im jeden Fall im Zentrum der Strategien stehen. Wälder und zunehmend auch Landwirtschaft wird der CO2-Logik untergeordnet oder als große Chance dargestellt, CO2-Emissionen zu reduzieren. Mehr noch: Aufforstungen und Biotreibstoffe mit CO2-Speicherung verbunden schaffen die Möglichkeit, „negative Emissionen“ zu erzielen (Abkürzung BECCS). Allen, die in Paris das Ende des fossilen Zeitalters bejubelten, werden bald staunen was für vielfältige Möglichkeiten der CO2-Reduzierung angepriesen werden – alles unter einer sogar noch verschärften Drohkulisse: Wenn wir 1,5 Grad erreichen wollen, dann brauchen wir – und hier ist nun der Phantasie keine Grenzen gesetzt – Kernenergie, CCS, BECCS, negative Emissionen, Gentechnologe, großflächige Aufforstungen, „erneuerbare Energie“ aus Großstaudämmen und wer weiß, nicht auch vielleicht etwas Geoengineering. Alle Übel aus der Büchse der Pandora ziehen sich die Kleider der Klimaneutralität an.
Paris enthält überhaupt kein Signal, keine Forderung oder Strategie dafür, fossile Energieträger im Boden zu lassen, es lässt vielmehr ganz bewusst offen, wie die angestrebte Balance zwischen Emissionen und Speicherung erreicht werden kann und soll. Dass sollen Wirtschaft und Politik richten – aber die sozialen Bezwungen müssen und werden sich hoffentlich einmischen.
Zur Kampagne „Hands on the Land for Food Sovereignty“