Futter statt Land
Der Sojaanbau, der auch der Fütterung europäischer Tiere dient, hat verheerende Folgen für Menschen und Natur. Das zu Grunde liegende Agrarmodell wird in Südamerika durch die globale Jagd nach Land weiter ausgebaut.
Soja genoss lange Zeit den Ruf, ein besonders gesundes Lebensmittel zu sein. Die ursprüngliche aus Asien stammende „Wunderbohne“ eigne sich hervorragend als Muttermilchersatz für Neugeborene, verringere die Wechseljahresbeschwerden bei Frauen und helfe sogar gegen Krebs. Heute ist Soja die Basis vieler Lebensmittel wie etwa des Fleischersatzes Tofu, Sojamilch, Miso, Sojasoße oder Margarine. Die vermeintlich heilsamen Wirkungen des Sojas sind jedoch mittlerweile wissenschaftlich umstritten, in vielen Fällen gilt Soja sogar als gesundheitsgefährdend1. Der Großteil der über 250 Millionen Tonnen weltweit angebauten Sojas landet aber nur indirekt auf dem menschlichen Speiseplan. Zu Futtermittel verarbeitet dient es der wachsenden, auf Massentierhaltung basierenden Fleischproduktion.
Lange bevor verbreitete Zweifel an der vermeintlich gesundheitsfördernden Wirkung des Sojas aufkamen, erwies sich die verheerende Wirkung, die der großflächige Anbau von Soja in den betroffenen Gebieten für Mensch und Natur entfaltet. Südamerika gehört zu den Hauptanbaugebieten des – größtenteils genmanipulierten – Sojas. Der so genannte Sojagürtel umfasst Teile von Brasilien, Argentinien, Paraguay, Bolivien und Uruguay und erstreckt sich auf etwa 50 Millionen Hektar2. Ein Ende des Booms ist derzeit nicht in Sicht, zahlreiche lokale und internationale Akteure beteiligen sich an der stetigen Ausweitung der Soja-Anbaugebiete.
Das meiste südamerikanische Soja geht nach China, gefolgt von der Europäischen Union (EU). Etwa 90 Prozent der europäischen Soja-Importe sind für die Tierhaltung bestimmt. Die Bohne wird als Futtermittel an hochsubventionierte Hühner, Schweine oder Rinder verfüttert. Als im Jahr 2000 im Zuge der BSE-Krise innerhalb der EU die Verfütterung von Tiermehl verboten wurde, zog der Import proteinhaltiger Futtermittel aus Soja massiv an.
Allein Deutschland importierte im Jahr 2008 mehr als drei Millionen Tonnen Sojabohnen sowie zwei Millionen Tonnen Sojaschrot.3 Laut Berechnungen des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) wird auf circa 2,8 Millionen Hektar in Übersee Soja für die deutsche Tierproduktion angebaut (in etwa die Fläche Brandenburgs)4.
Dabei sind gerade Wiederkäuer wie Rind oder Schaf von Natur aus Grasfresser. Die Ernährung durch Futtermittel auf Sojabasis reduziert die im Gras enthaltenen Omega-3-Fettsäuren und erhöht die ungesunden Omega-6-Fettsäuren, die im Soja in erhöhtem Maße auftreten. Gentechnik-Konzerne arbeiten bereits an genmanipulierten Soja-Pflanzen, die erhöhte Omega-3-Säuren enthalten5.
Sojaanbau nur für Großunternehmen rentabel
Heute werden drei Viertel der weltweiten Sojaproduktion auf dem amerikanischen Kontinent hergestellt. Die größten Produzenten sind die USA, Brasilien, Argentinien, China, Indien und Paraguay. Allein Brasilien ist für ein Viertel der weltweiten Sojaproduktion verantwortlich.
Von dem Geschäft profitieren fast ausschließlich Großunternehmen. Während der Sojaanbau vor Ort oft vom lokalen Agrobusiness und so genannten Sojakönigen betrieben wird, kontrollieren internationale Großkonzerne den Großteil des Geschäfts. Die Konzerne, die (genmanipuliertes) Saatgut verkaufen, sind häufig dieselben, die auch die für den erfolgreichen Anbau der Monokulturen erforderlichen Pestizide und Herbizide anbieten. Dazu zählen vor allem die US-amerikanische Biotechfirma Monsanto und der Konzern Syngenta. An der Versprühung von giftigen Pestiziden und Herbiziden verdienen mit Bayer und BASF auch deutsche Firmen mit6. Die Mechanisierung der Landwirtschaft kommt Maschinenherstellern wie John Deere, Volvo oder Caterpillar zu Gute. Der Handel von Soja auf dem internationalen Markt wird von Agrar-Großkonzernen wie ADM (Archer Daniels Midland), Cargill und Bunge kontrolliert7.
Soja in Brasilien – Monokultur soweit das Auge reicht
Ausgehend von Südbrasilien hat sich der Sojaanbau in den Nachbarländern ausgebreitet. Schon in den 1940er Jahren nahm die Fläche, auf der in Brasilien Soja angebaut wurde, zu. Erst in den 1970er Jahren jedoch wurde das auf industrieller Landwirtschaft basierende Soja-Modell implementiert. Mittlerweile reicht die Soja-Monokultur weit in den Urwald des Amazonas hinein. Auf dem Weg von Süden nach Norden vernichtete das Soja die zentralbrasilianische Savanne Cerrado zu großen Teilen. Diese ist mit einer Fläche von 204 Millionen Hektar etwa sechsmal so groß wie Deutschland und stellt das biologisch vielfältigste Savannen-Ökosystem der Erde dar8. Auch Menschen bevölkerten das Gebiet. Mitte des 20. Jahrhunderts lebten im Cerrado etwa 50 indigene Gruppen9.
In den 1970er Jahren breiteten sich brasilianische Sojaproduzenten mit Unterstützung der damaligen Militärregierung immer weiter aus und bauten die Bohne bald schon in den Staaten Minas Gerais, Bahia, Goias, Mato Grosso do Sul und Mato Grosso an. Als Vorläufer der neuen Landnahme wurde die Erschließung des Cerrado auch von internationaler Seite her angetrieben. Aufgrund der durch verschiedene Faktoren wie Missernten in der Sowjetunion, der Öl-Krise und der drastischen Verteuerung der Agrarproduktion begann Japan, Agrarprojekte jenseits der Landesgrenzen zu fördern und investierte auch in die Sojaproduktion im brasilianischen Cerrado. Mit Beteiligungen von staatlichem und privatem Kapital aus beiden Ländern wurde 1979 ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Das Projekt hatte einen massiven Anteil am Vordringen der Monokulturen gen Norden und legte durch den Ausbau von Exportkorridoren, fortschreitender Mechanisierung und Züchtung von Hochleistungssorten gewissermaßen den Grundstein für das heutige Land Grabbing.10 Derzeit befinden sich 13 Millionen von den insgesamt 23 Millionen Hektar brasilianischer Soja-Monokulturen im Cerrado.
Von Mato Grosso bis zum Amazonas
Das Hauptanbaugebiet ist Mato Grosso. In dem dünn besiedelten Bundesstaat wurde 1970 die erste Sojaernte auf 12 Hektar eingefahren. Heute sind es über sechs Millionen Hektar. Hier ist die Basis des weltweit größten Sojaanbauers, der Grupo Amaggi des Unternehmers und Ex-Gouverneurs von Mato Grosso Blairo Maggi. 1979 sicherte sich die Familie Maggi 2.400 Hektar, 2005 besaß sie über 135.000 und hatte mehr als 100.000 gepachtet11. Wie weit der Cerrado bereits zerstört ist, kann nur geschätzt werden, Experten gehen von 50 bis 80 Prozent aus12. Zehntausende Menschen, die in dem Gebiet lebten, wurden vertrieben oder ermordet. Wenn die Vernichtung der Savanne in dem selben Tempo wie bisher weitergeht (2,2 Millionen Hektar jährlich), wird bis zum Jahr 2030 nichts mehr übrig sein13.
Doch auch die weiten Flächen von Mato Grosso reichen längst nicht mehr aus. Die Sojafront breitet sich weiter in die wenigen noch intakten Gebiete des Cerrado in den Bundesstaaten Maranhao, Piauí und Bahia sowie den Amazonas aus. Bereits seit den 1980er Jahren war der Sojaanbau auch für die Abholzung des Regenwaldes im Amazonas mit verantwortlich. Rinderfarmer verlegten ihre Weiden aufgrund der Ausbreitung des Sojas nach Amazonien und rodeten dafür Wald14. Mittlerweile reichen die Sojaflächen selbst bis dorthin. Nach Angaben des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums wird in den Amazonasstaaten 2010 bereits auf 528.000 Hektar Soja angebaut.15 Von der Stadt Cuiabá in Mato Grosso führt die 1.800 Kilometer lange Schnellstraße BR-163 nach Santarém, wo der Río Tapajós in den Amazonas mündet. Die Pläne für eine derartige Schnellstraße gab es schon zu Zeiten der Militärdiktatur, unter der Regierung von Fernando Henrique Cardoso wurde die Idee 1999 schließlich umgesetzt. Über den Fluss kann das Soja aus Mato Grosso somit direkt nach Europa oder China verfrachtet werden. Im Jahr 2001 baute der US-Konzern Cargill einen Hafen und eine Sojaverarbeitungsanlage in Santarém. Das Unternehmen wird auch direkt für die Ausbreitung des Sojaanbaus in Amazonien selbst verantwortlich gemacht, da es zum Beispiel Kredite an Bauern vergibt, sofern diese mit dem Sojaanbau beginnen.
Zwar einigten sich Umweltorganisationen und die maßgeblichen Soja-Händler 2006 darauf, ein Moratorium zu verhängen, wonach auf neu gerodeten Amazonas-Flächen kein Soja angebaut werden soll. Dieses konnte die weitere Ausbreitung der Sojafront im Amazonas-Gebiet allerdings nicht stoppen16.
Die Nachbarländer ziehen nach
Auch viele der Nachbarländer Brasiliens, sind längst dem Soja verfallen. In Argentinien wird die Bohne seit den 1980er Jahren im großen Stil angebaut. Mittlerweile breitet sich die Monokultur auf 18 Millionen Hektar aus, was mehr als der Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes entspricht. Das Land am Río de la Plata war 1996 das Einfallstor für den US-amerikanischen Biotech-Konzern Monsanto, um den Anbau gentechnisch modifizierter Organismen (GMO) in Südamerika zu etablieren. Von Argentinien aus verbreitete sich das Gen-Soja in die Nachbarländer. Durch Schmuggel und gezielten Anbau war es in Brasilien de facto langst präsent, als die brasilianische Regierung es Schritt für Schritt legalisierte und im Jahr 2005 schließlich dauerhaft gesetzlich erlaubte. Auf ähnliche Art und Weise etablierten sich die GMO auch in anderen Ländern17. Fast das gesamte in Argentinien angebaute Soja ist heute Monsantos genetisch modifiziertes „Roundup Ready“, das gegen das gleichnamige Herbizid (überwiegend Glyphosat) resistent ist, das ebenfalls von Monsanto geliefert wird18.
Anfang der 1990er Jahre begann die Bohne ihren Siegeszug in Paraguay, wo Soja heute einen Großteil der Wirtschaft dominiert. Es ist das wichtigste Exportprodukt, Paraguay der viertgrößte Sojaexporteur der Welt. Fast 40 Prozent der Bevölkerung arbeiten im landwirtschaftlichen Sektor. Dessen Anteil am Bruttoinlandsprodukt beträgt fast 25 Prozent. Vor allem im Osten und Süden des Binnenlandes wird auf circa 2,7 Millionen Hektar Soja angebaut19. Nach einem starkem Produktionsrückgang aufgrund der Dürre 2009 wird im Soya-Zyklus 2009/2010 mit einer Rekordproduktion von 7,4 Millionen Tonnen und Rekordeinnahmen von 2,5 Mrd. US-Dollar gerechnet. Die Soya-Lobby hofft auf eine kurzfristige Ausweitung der Anbaufläche auf 4 Millionen Hektar und schätzt die für den Sojaanbau geeignete Fläche insgesamt sogar auf 7 Millionen Hektar20. Das Land, auf dem Soja angebaut wird, gehört überwiegend deutschstämmigen Brasilianern, den so genannten Brasiguayos. Wenngleich Fernando Lugo, der seit 2008 amtierende Präsident und ehemalige „Bischof der Armen“ eine integrale Landreform versprochen hat, tut sich de facto wenig.
Auch in Bolivien wird die Soja-Bohne seit den 1990er Jahren angebaut. Besonders in der Provinz Santa Cruz im östlichen Tiefland befinden sich fruchtbare Böden. Schätzungsweise 500.000 Hektar werden von brasilianischen Sojafarmern kontrolliert.21. In Uruguay wird Soja ebenfalls auf über 300.000 Hektar angebaut22. In dem kleinen Land sind neben einheimischen insbesondere argentinische Firmen aktiv23.
Negative Konsequenzen des Soja-Booms
Auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die Menschen vor Ort und die Umwelt hat der Soja-Boom äußerst negative, teils dramatische Auswirkungen. Der Soja-Modell basiert grundsätzlich auf Monokultur und Mechanisierung der Landwirtschaft. Der Anbau rentiert sich erst im großen Maßstab, da für genmanipulierte Samen, Pestizide und Technik hohe Kosten anfallen. Bauern werden in dem Soja-Modell praktisch überflüssig. Für 500 Hektar Soja-Anbau reicht eine Person zur Bewirtschaftung des Landes24. Die Ausbreitung der Soja-Front hat permanent die erzwungene und teils offen gewaltsame Vertreibung der ländlichen und indigenen Bevölkerung zur Folge. Nach Schätzungen von 2007 wurden durch das Soja in Brasilien 300.000 Menschen in Rio Grande do Sul sowie 2,5 Millionen in Paraná von ihrem Land vertrieben. In Argentinien verloren etwa 150.000 Familien ihren Lebensraum, in Paraguay 90.000 Familien25. Aller Möglichkeiten beraubt migriert die Landbevölkerung zunächst in die Städte, meistens in Armenviertel.
In der Regel findet der Sojaanbau in Direktsaat statt. Bei dieser Methode wird der Boden kaum umgepflügt, wodurch ein hoher Pestizideinsatz erforderlich wird26. Der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden, der wie etwa im Fall von Monsantos Roundup Ready fest zum Soja-Modell dazu gehört, hat schlimme Konsequenzen. Menschen, die in unmittelbarer Nähe von Sojafeldern leben, sind akuten Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt. Als Folgen des flächendeckenden Pestizideinsatzes sind unter anderem Erbrechen, Durchfall, Allergien, Krebsleiden sowie Missbildungen dokumentiert27. Durch die Verschmutzung von Flüssen sind auch Menschen, die nicht direkt neben einem Sojafeld, aber flussabwärts leben, von den Folgen des Soja-Anbaus betroffen. Der Einsatz von Herbiziden ist seit der Einführung von Gen-Soja drastisch gestiegen. Wurde bei dem konventionellen Soja zuvor gut ein Liter Glyphosat pro Hektar verwendet, sind es nun bis zu über 20 Liter28. Im Jahr 2008 wurden etwa in Argentinien schätzungsweise 200 Millionen Liter Roundup Ready verbraucht. 1996, vor der Einführung des Gen-Sojas, waren es 13,9 Millionen. Aufgrund entstehender Immunitäten und dem Aufkommen von Resistenzen bei Insekten und Unkraut werden zunehmend noch stärkerer Gifte wie das in der EU verbotene Herbizid Atrazin oder das ebenfalls verbotene Pestizid Endosulfan von Bayer verwendet.
Hinzu kommt, dass durch den fortschreitenden Soja-Anbau die Artenvielfalt zurückgeht und große Waldflächen vernichtet werden. Mindestens 21 Millionen Hektar Wald in Brasilien, 14 Millionen Hektar in Argentinien und je zwei Millionen Hektar in Paraguay und Bolivien wurden bereits abgeholzt, um Sojafelder anzulegen29. Durch das Vorrücken der Soja-Front in den brasilianischen Amazonas-Regenwald, ist der Lebensraum von Hunderttausenden von Flussanwohnern, Kleinbauernfamilien und Indigenen bedroht. Auch beschleunigt sich durch die Zerstörung des Amazonas die globale Erderwärmung, da das Wegfallen des Waldes als CO2-Senke den Ausstoß von Kohlenstoff erhöht30.
Ernährungssouveränität, also die Möglichkeit lokal frei darüber zu entscheiden welche Lebensmittel angebaut werden sollen, rückt durch den Soja-Anbau in weite Ferne. Der kleinbäuerliche Lebensraum, die Strukturen des ländlichen Lebens werden nach und nach zerstört. Die Produktion von Hauptnahrungsmitteln wie Reis, Bohnen oder Mais geht zurück31. Durch den Soja-Anbau geht außerdem fruchtbares Land verloren, da die Böden einer erhöhten Erosion ausgesetzt sind. Um ein Kilo Sojabohnen zu produzieren, werden 10 Kilo Erde geopfert32.
Neue Landnahme im Zeichen des Sojas – Die Zerstörung geht weiter
Vieles spricht dafür, dass die Nachfrage nach Soja weiter steigen wird und sich dadurch der Druck auf Land sowie die negativen Folgen für Mensch und Natur intensivieren werden. Zum einen nimmt der weltweite Fleischkonsum stetig zu, unter anderem weil die wachsenden Mittelschichten in China und Indien ihre Ernährungsgewohnheiten ändern. Zum anderen steigt die Nachfrage nach Biodiesel, das auch aus Soja hergestellt werden kann. Da viele Länder verbindliche Beimischungsquoten rechtlich fixiert haben, entsteht ein sicherer Markt für die Produzenten von Agrokraftstoffen. Ohne den Biodiesel-Boom hätte der Soja-Anbau möglicherweise stagniert, die Branche war kurz davor in die roten Zahlen zu rutschen33. Zudem steigen in den USA viele Farmer auf den Anbau auf Mais zur Ethanolproduktion um, weil es dafür Fördergelder gibt. Dadurch verliert das immer noch größte Soja produzierende Land der Welt an Boden gegenüber dem Sojaanbau in Südamerika34.
Der Cono Sur gehört schon jetzt zu einem bevorzugten Ziel der Neuen Landnahme. Internationale Anlagegelder strömen in die Region auf der Suche nach Land oder Anteilen am lukrativen Agrobusiness. Zahlreiche neue Firmen und Investmentfonds entstehen mit dem einzigen Ziel, Geld mit Soja zu verdienen. Und die Grenzen sind aus Sicht von Regierungen und Investoren noch lange nicht erreicht. Die brasilianische Regierung stellt immer noch 70 Millionen Hektar für Investitionen in Aussicht35.
In Paraguay wirbt die Regierung offensiv um neue Investoren. Das Land preist sein gutes Investitionsklima beispielsweise vor indischen Produzenten und bietet Steuernachlässe und wesentlich niedrigere Bodenpreise als die Nachbarländer an36. Zahlreiche internationale Akteure haben angekündigt in Südamerika in Land zu investieren, darunter Lumix Agro Direct Funds, die Regierung von Südkorea, der argentinische Agrokonzern CRESUD, das französische Dreyfuss und das indisches Speiseölkonsortium Solvent Extractor’s Association. Brasilianische und argentinische Firmen sind schon länger in den Nachbarländern aktiv. Auch China, der Hauptabnehmer für Soja, versucht in Südamerika direkt Land zu erwerben. Unter anderem will das Land Soja im argentinischen Patagonien anbauen37.
Aufgrund der zu Recht befürchteten Ausweitung der neuen Landnahme spricht sich die uruguayische Regierung offen gegen den Landerwerb durch Ausländer aus38. Brasilien beschränkte den Landerwerb durch Ausländer auf maximal 5.000 Hektar39. Was angesichts des weltweiten Land Grabbings auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen mag, ist jedoch mit Vorsicht zu bewerten. Solange sich am exportorientierten Agrarmodell, dass in sämtlichen Staaten der Region betrieben wird, nichts Grundlegendes ändert, nützt ein derartiges Verbot der kleinbäuerlichen Landwirtschaft wenig. Im Gegenteil: Es profitieren die lokalen Großkonzerne, die sich den Anbau von Soja und anderer Agrarprodukte nicht von ausländischen Firmen streitig machen lassen müssten.
Letztlich hat das Soja für Mensch und Natur und insbesondere für den kleinbäuerlichen Lebensraum verheerende Folgen, während wenige Konzerne und Investoren von der vermeintlichen Wunderbohne profitieren. Die Ausweitung der Soja-Monokulturen basiert auf einer großflächigen industriellen Landwirtschaft, die kaum noch Bauern und Arbeiter benötigt. Diese verlassen das Land in Richtung Armenviertel der Städte, auf der Flucht vor Armut, Arbeitslosigkeit und Gefahren für die Gesundheit. Der Soja-Anbau führt zu Vertreibung von Menschen und zerstört das Ökosystem, verseucht die Flüsse und Böden. Der massive Pestizid- und Herbizid-Einsatz verursacht Krankheiten, Missbildungen und Todesfälle bei Menschen. Europa und auch Deutschland tragen einen gehörigen Teil zu der Problematik bei, indem sie Soja für die Massentierhaltung importieren. Die verheerenden Auswirkungen bleiben hingegen jenseits des Ozeans.
Autor: Tobias Lambert
Quellen:
1Vgl.: Kathrin Burger: Riskanter Kult um die Bohne, unter: http://www.sueddeutsche.de/wissen/soja-riskanter-kult-um-die-bohne-1.790066, aufgerufen am 1.Oktober 2010; Norbert Suchanek: Der Soja-Wahn. Wie eine Bohne ins Zwielicht gerät, München 2010, S. 14 ff.
2Zum Vergleich: Die Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland beträgt knapp 36 Millionen Hektar.
6Die Hersteller bevorzugen für Pestizide den Begriff „Pflanzenschutzmittel“ und für Herbizide „Unkrautbekämpfungsmittel“
7Vgl.: Javiera Rulli: Indtroduction to the Soya Model. The expansion of soya in Latin America, in: Javiera Rulli (Hrsg.): United Soya Republics. The truth about Soya Production in South America, S.23, download unter: http://www.lasojamata.net/en/node/91, aufgerufen am 1.Oktober 2010.
16Vgl.: Kim Weidenberg, Kirsten Bredenbeck: Soja in Santarém. Vom traditionellen Landbau zum Profit der US-Firmen, in: Lateinamerika Nachrichten 419, unter:http://ln-berlin.de/index.php?/artikel/3453.html, aufgerufen am 29.September 2010.
17Vgl.: Grain:Twelve years of GM soya in Argentina. A disaster for people and the environment, S.18, unter: www.grain.org/seedling_files/seed-09-01-4.pdf , aufgerufen am 1.Oktober 2010.
19Vgl.: Reto Sonderegger: Sojarepublik Paraguay? Konflikte um Land und Ernährungssouveränität,, FDCL, Berlin 2008, S1.
23Vgl.: La „colonización“ silenciosa: argentinos manejan la mitad de los campos del Uruguay, unter: http://farmlandgrab.org/11693, aufgerufen am 1.Oktober 2010.
25Vgl.: Grain: Soja-Nexus in South America, S.52, unter:
http://www.grain.org/seedling_files/seed-07-07-7-5-en.pdf, aufgerufen am 1. Oktober 2010.
36Vgl.: Financial Express, 12. Juni 2010: India-Mercosur talks will highlight food security, trade, unter: http://farmlandgrab.org/13664, aufgerufen am 1.Oktober 2010.
37Vgl.: Argentina: Soja en Río Negro? Aluvión de capitales chinos para riego, unter: http://farmlandgrab.org/15758, aufgerufen am 1.Oktober 2010.
38Vgl.: El País Digital, 17. September 2010: Mujica dijo que en su gobierno no se venderán tierras a otros países, unter: http://farmlandgrab.org/15683;
39Vgl.: Estrangeirização das terras brasileiras, unter: http://farmlandgrab.org/15145, aufgerufen am 1.Oktober 2010.