Seit Ende der 1970er Jahre galt Landwirtschaft als ein überaus unattraktives Geschäft. Überproduktion und niedrige Agrarpreise versprachen nur bescheidene Renditen – nichts im Vergleich zu Boombranchen wie der New Economy oder dem Finanzsektor. Erst die Explosion der Nahrungsmittelpreise in den Jahren 2007/2008, die in zahlreichen Ländern Brotrevolten auslöste und die Zahl der Hungernden kurzzeitig auf über eine Milliarde Menschen katapultierte, führte zu einer Neubewertung von Ackerbau und Viehzucht. Seither haben sich die Agrarpreise auf einem deutlichen höheren, wenn auch krisenbedingt stark schwankenden Niveau eingependelt. AgrarökonomInnen prognostizieren, dass der Aufwärtstrend auch zukünftig anhalten könne, denn mit der Weltbevölkerung steige auch die Nachfrage nach Lebens- und Futtermitteln. Kein Wunder also, dass Land- und Lebensmittelwirtschaft vermehrt den Appetit von Finanzanlegern anregen. Banken, Investment- und Pensionsfonds kanalisieren die Gelder ihrer häufig betuchteren Klientel in das gesamte Ernährungsbusiness. In ihren Portfolios finden sich Dünger-, Saatgut- und Lebensmittelhersteller ebenso wie Rohstoffhändler, Bauernhöfe und Böden.

Auf Ackerland setzte ein regelrechter Run ein. Weltweit suchen Investoren nach fruchtbaren Böden mit hohem Aufwertungspotenzial. Am häufigsten werden sie in Afrika, Südostasien, Lateinamerika und in Teilen Osteuropas fündig. Doch über das Ausmaß der Landgeschäfte gibt es nur vage Schätzungen, die sich zumeist auf die wenig verlässliche Quelle von Medienberichten stützen. Auf einer solchen Grundlage schätzen etwa die ForscherInnen der Land Matrix Partnership, dass in den vergangenen Jahren in Entwicklungsländern 1.217 große Landgeschäfte über insgesamt 83 Millionen Hektar abgeschlossen oder verhandelt wurden, sei es in der Form von Pacht-, Kauf- oder Konzessionsverträgen. Der Löwenanteil entfalle mit 56 Millionen Hektar auf Afrika; in Asien betreffe dies 17,7 Millionen und in Lateinamerika 7 Millionen Hektar (zum Vergleich: das Staatsgebiet Deutschlands umfasst 35,7 Millionen Hektar).

Für Lateinamerika kamen Untersuchungen der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO zu dem erstaunlichen Befund, dass ausländische Agrarinvestitionen in den vergangenen zehn Jahren zwar in der gesamten Region stark zugenommen hätten, Land Grabbing aber – definiert als großflächige Akquisition mit dem Ziel der Nahrungsmittelproduktion für ausländische Märkte – nur in Argentinien und Brasilien stattgefunden habe.2 Nach dieser Definition wären also weder die von Paramilitärs vertriebenen afrokolumbianischen Gemeinden, noch die Kleinbauern Paraguays, denen Sojafarmer ihre Landnutzungsrechte abjagten, Land Grabbing in Lateinamerika noch die Maya-Familien Guatemalas, deren Dörfer für Biosprit aus Zuckerrohr und Ölpalmen zerstört wurden, Opfer von Land Grabbing geworden.

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Autor: Thomas Fritz
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