Policy paper

„Die Plünderung ist vorbei“

Boliviens Nationalisierung der Öl- und Gasindustrie

Am 1. Mai 2006 machte die bolivianische Regierung international Schlagzeilen. Symbolträchtig verkündete Präsident Evo Morales die Nationalisierung der Öl- und Gasindustrie. „Die Plünderung der natürlichen Ressourcen ist vorbei“, rief er auf dem Gasfeld San Alberto im Süden Boliviens. Während auf den Maiveranstaltungen im ganzen Lande dieser Akt bejubelt wurde, gab sich die internationale Gemeinschaft besorgt. Die Demokratie sei in Gefahr, die Rechtssicherheit ohnehin, und das Land könne nur verlieren, so der Tenor. Die internationale Presse wiederum sorgte sich um die steigenden Energiepreise. Ihre bange Frage: Ist die Energieversorgung noch sicher, wenn in immer mehr Lieferländern der „Ressourcennationalismus“ um sich greift?

Über die Hintergründe, die zur bolivianischen Nationalisierung führten, gab es jedoch wenig zu erfahren. Weder wurde die Vorgeschichte noch die Reichweite dieses Schritts deutlich. Auch über die Hindernisse, die sich der neuen Regierung in den Weg legen mussten, war wenig zu lesen. Mit seiner neuen Veröffentlichung möchte das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.

Das FDCL-Hintergrundpapier schildert sowohl die sozialen Auseinandersetzungen, die zur Nationalisierung vom 1. Mai führten, als auch die aktuellen Widerstände, mit denen sich die Regierung konfrontiert sieht. Neben Analysen des Nationalisierungsdekrets und der verschiedenen Druckmittel der Petrofirmen bietet das Papier einen kritischen Blick auf die Schattenseiten der Öl- und Gasproduktion: die zunehmende Rohstoffabhängigkeit und die Zerstörung der Lebensgrundlagen lokaler Gemeinschaften. Mit der Nationalisierung stellt sich auch in Bolivien die Frage nach einem Entwicklungsmodell „jenseits von Öl und Gas“.

Inhalt

Inhalt
1. Einführung
2. Von der Nationalisierung zur Privatisierung
2.1. Der Weg zum ‚Rentenstaat‘
2.2. Neoliberale Schocktherapie
2.3. Die ‚Kapitalisierung‘ und ihre Folgen
2.3.1. Zerschlagung von YPFB
2.3.2. Enteignung des Staates
2.3.3. Reklassifizierung der Rohstoffvorkommen
2.3.4. Einnahmeverluste
2.3.5. Das private Oligopol
2.3.6. Fortgesetzter interner Energiemangel
2.3.7. Rentenreform und Staatsverschuldung
2.3.8. Verlust der wirtschaftlichen Steuerung
3. Kampf um Wiederaneignung
3.1. Das geplatzte Flüssiggasgeschäft
3.2. Der ‚Gaskrieg‘
3.3. Präsidenten kommen und gehen
3.4. Das Kohlenwasserstoffgesetz von 2005
3.4.1. Begrenzte Wiedergewinnung der Öl- und Gasvorkommen
3.4.2. Neugründung von YPFB – ohne hinreichende Ressourcen
3.4.3. Verteilungskonflikte um Abgaben und Steuern
3.4.4. Regionalisierung, Dezentralisierung und Ungleichheit
3.4.5. Drohungen der Petrofirmen
3.5. ‚Helden des Chaco‘ – Nationalisierung nach MAS
3.5.1. Betrug oder Schritt in die richtige Richtung?
4. Die Nationalisierung und ihre Feinde
4.1. ‚Eine unfreundliche Geste‘
4.2. Furcht vor ‚Ressourcennationalismus‘
4.3. Drohung mit internationalen Tribunalen
4.3.1. Proliferation bilateraler Investitionsabkommen
4.3.2. Weiter Enteignungsbegriff und hohe Entschädigungen
4.3.3. Petrobras und das ‚treaty shopping‘
4.3.4. Gescheiterte Klage gegen Boliviens ‚BITs‘
5. Jenseits von Gas
5.1. Die Schattenseiten des Rohstoffbooms
5.2. Ein anderes Entwicklungsmodell
5.2.1. ‚Andin-amazonischer Kapitalismus‘?
6. Eine neue Etappe

Herausgeber

Förderer

This publication was made possible through the financial support of the European Community. The opinions expressed therein represent the opinion of the author and do not represent the official opinion of the European Community.

This publication was elaborated within the framework of the cooperation-project „Handel- Entwicklung-Menschenrechte“ of the Heinrich Böll Foundation (hbs), the Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), and the Transnational Institute (TNI).

More information at: http://www.handel-entwicklung-menschenrechte.org