Veranstaltung

„Gewerkschaft gegen Chemiekonzerne - Leben vor Profit“

Erfahrungen aus einem außergewöhnlichen Arbeitskampf in Brasilien

Informations- und Diskussionsveranstaltung mit:

Gloria Nozella ist für Gesundheitspolitik zuständiges Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Quimicos Unificados.
Francisco Tavares ist Betroffener ehemaliger Arbeiter von Shell/ BASF und im Verband der Geschädigten organisiert (ATESQ).

basf-2Moderation: Christian Russau (FDCL)
Es wird auch ein 30 min. Doku-Video gezeigt.

Berlin, Freitag, 11. November um 18.30 Uhr
Verdi-Medien-Galerie
Dudenstr. 10 (U-Bhf. Platz der Luftbrücke)
Veranstalter: AKI d. IG Metall Berlin, ECCHR, FDCL, labournet.tv
Sprache: Portugiesisch mit konsekutiver Übersetzung ins Deutsche
Eintritt: na logo, frei!

David gegen Goliath
Eine kleine brasilianische Chemiegewerkschaft hat es geschafft, zwei transnationale Konzerne (Shell und BASF) zu einer beispiellosen Vereinbarung zu verpflichten. In einer 12 Jahre andauernden Auseinandersetzung, sowohl vor Gericht als auch mit einer beeindruckenden Kampagne, ist es einer offensiven Gewerkschaft, Anwohnern, Angehörigen und Opfern von Umwelt- und Gesundheitszerstörung gelungen, Shell/BASF zur Verantwortung zu ziehen. Die erreichte Entschädigung erweckt nicht die durch giftige Chemikalien gestorbenen Arbeitnehmer wieder zum Leben und macht die schwer Erkrankten nicht wieder gesund. Aber sie verschafft den Opfern Genugtuung und Anerkennung, und hilft auch ganz praktisch, die ärztlichen Behandlungen zu finanzieren und in Würde weiterzuleben.

Brasilien nicht nur Olympia – auch politische Streiks
Ein zweites Thema der Rundreise von Gloria Nozella und Francisco Tavares ist die aktuelle dramatische Situation in Brasilien. In einem kalten Putsch hat die rechte Elite die brasilianische Präsidentin Roussef abgesetzt. Korrupteste Politiker geben vor, die Korruption bekämpfen zu wollen – tatsächlich geht es ihnen um ihre Privilegien und Macht. Gewerkschaften und soziale Bewegungen mobilisieren gegen die sozialen Verschlechterungen und den Angriff auf die Demokratie mit Streiks und Massendemonstrationen.
Brasilien ist nicht das einzige Land, in dem in den letzten Jahren progressive Präsidenten abgesetzt worden sind, um den „Linksruck“ in Südamerika mit alternativen Modellen und mehr Rechten und weniger Misere zu beenden.
Veranstaltet wird die Rundreise von TeilnehmerInnen am Chemiearbeiteraustausches aus den 90-er Jahren, koordiniert von BaSo (Basisinitiative Solidarität) mit der freundlichen Unterstützung der Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt aus Berlin.

 

Zum Hintergrund:
Brasilien: Shell und BASF müssen zahlenbasf1
Eine Chemiefabrik in Paulínia (im Bundesstaat São Paulo) des Shell-Konzerns wurde zunächst von American Cyanamid aufgekauft und im Jahr 2000 von der BASF (Ludwigshafen) übernommen. Die dort produzierten krebserregende Stoffe wie die Pestizide Aldrin, Endrin und Dieldrin verursachten schwere Gesundheits- und Umweltschäden, auch Todesfälle. Lange wurde vertuscht. Nach Hunderten von Beschwerden leitete das Arbeitsministerium ein Klageverfahren ein. Ende 2002 wurde das Werk geschlossen. Die Behörde verbot eine weitere Nutzung und stellte unter anderem fest, „dass der Boden der Fabrik komplett verseucht ist“.

Kampf von Belegschaft und Gewerkschaft
Teile der Belegschaft organisierten sich in einem Interessenverband der Betroffenen (Atesq – Verband von Arbeitern, die chemischen Substanzen ausgesetzt waren) – kräftig unterstützt besonders von der rührigen Chemiegewerkschaft von Campinas „Quimicos Unificados“ (Vereinigte Chemiebeschäftigte). Sie machten sich auf einen langen Weg: Jede Verhandlung wurde von den Betroffenen begleitet. Immer mobilisierten sie sich, standen vor den Toren und auf den Plätzen, demonstrierten und protestierten. Erst 2013 wurde endlich vor dem höchsten Arbeitsgericht in Brasilia eine abschließende Vereinbarung unterzeichnet. Diese enthält individuelle Entschädigungen, sowie das Recht der Beschäftigten und ihrer Familien auf lebenslange ärztliche Behandlung.

Die Entschädigung
Jeder der 1068 registrierten ehemaligen Beschäftigten erhält eine individuelle Entschädigung. Der Betrag wird gestaffelt nach der Anzahl der auf dem Gelände gearbeiteten Jahre. Jeder der 1068 ehemaligen Beschäftigten sowie ihre Ehepartner und die in der Beschäftigungszeit geborenen Kinder haben das Recht auf lebenslange kostenlose medizinische Versorgung (Untersuchungen, stationäre Aufenthalte, Medikamente und Operationen).
Die Tatsache, dass Ehepartner und Kinder in die medizinische Versorgung einbezogen werden, ist ein großer, wohl einmaliger Erfolg. Dass die medizinische Versorgung für jedwede Art von Erkrankung gewährleistet wird, ebenso. Aber auch, dass jeder ehemalige Beschäftigte eine Entschädigung erhält, ohne einen Einzelnachweis erbringen zu müssen ist eine Errungenschaft. Die erkämpften Entschädigungen kommen auch anderen zugute, z.B. zwei Krebskliniken im Bundesstaat São Paulo.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des vereinbarten Pakets ist die „Entschädigung wegen kollektiver Schäden“ in Höhe von 200 Mio. Real (aktuell ca. 50 Mio. Euro). Das Geld ist bestimmt für Projekte zur Erforschung, Behandlung und Prävention von Berufserkrankungen oder Umweltschäden in der Region. Sechs Projekte sind bereits ausgewählt, darunter eines für die Krebsklinik in Barreto (SP) und ein anderes für die Kinderkrebsklinik nahe Campinas.

Weitere Stationen der Rundreise von Gloria Nozella und Francisco Tavares:
Vom 8. bis 20. November machen eine brasilianische Gewerkschafterin und ein ehemaliger Arbeiter und Opfer von Pestizidvergiftung durch transnationale Konzerne eine Rundreise durch acht deutsche Städte. Aus erster Hand werden Gloria Nozella und Francisco Tavares über einen Kampf von David gegen Goliath und die aktuelle Situation in Brasilien unterrichten. Sie werden auch zur Absetzung der Präsidentin Rousseff und zur aktuellen politischen Lage sprechen.

Frankfurt: 8.11.16
Ludwigshafen: 10.11.16
Berlin: 11.11.16
Halle: 14.11.16
Münster: 15.11.16
Dortmund: 16.11.16
Wuppertal: 17.11.16
Bonn: 18.-20.11.16

Die Reise wird koordiniert von Beatrix Sassermann (BASO Wuppertal), Kontakt: bspol@bwup.de

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