Mit: Carlos Pérez Soto und Leonor Abujatum, Moderation: Eva Völpel (taz)
Die Militärdiktatur in Chile wurde weltweit nicht nur zum Symbol für schwerwiegende, bis heute kaum aufgearbeitete Menschenrechtsverletzungen. Sie ist auch Symbol dafür, wie eine Regierung erstmals ein neoliberales Wirtschaftsmodell kompromisslos und umfassend umsetzte.
Vertieft und stabilisiert wurde der neoliberale Umbau der Gesellschaft unter demokratischen Regierungen. Heute sind ehemals öffentliche Sphären wie die Bildungspolitik gefangen zwischen Privatisierung und einem bürokratischen Wettbewerbsdschungel. Auch in den Bereichen des Bildungssystems, die noch staatlich sind, machen sich systematisch konkurrente und individualistische Verhaltensmuster breit.
Die aufsehenerregenden Massenproteste der Studierenden in diesem Jahr haben das aktuelle System neoliberaler Bildungspolitik in Chile in Frage gestellt. Sie machten deutlich, dass die Achtung der Menschenrechte, der Zugang zu öffentlichen Gütern und die Forderung nach Wohlstand und gesellschaftlicher Teilhabe für alle weiter so akut sind wie vor 40 Jahren.
Wie ist die aktuelle Phase neoliberaler Bildungspolitik zu analysieren? Inwiefern können soziale Bewegungen an dem „Modell Chile“ nicht nur als ökonomischem Modell, sondern auch als hegemonialer Form des Denkens rütteln? Und schließlich: Welche Strategien vertreten die ProtagonistInnen der Bildungsproteste heute, kurz vor den Präsidentschaftswahlen im November.
Carlos Pérez Soto ist einer der bekanntesten linken Theoretiker in Chile. Ursprünglich ausgebildet als Physiker unterrichtet er an verschiedenen Universitäten in Chile u.a. marxistische Theorie, Grundlagen der Psychologie und der Antipsychiatrie sowie die Geschichte des Tanzes. Er steht im intensiven Austausch mit den sozialen Bewegungen und ist an den Bildungsprotesten beteiligt. Zurzeit beschäftigt er sich mit den Perspektiven einer neuen Linken in Chile und entwickelt Vorschläge gegen die Kommerzialisierung von Bildung und Gesundheitsdiensten sowie für die Demokratisierung des Wissens.
Leonor Abujatum ist Mitglied der Revolución Democrática und steht in ständigem Austausch mit der chilenischen Studierendenbewegung. Sie hat Spanische Philologie, Neuere Geschichte und Politikwissenschaften studiert und promoviert als Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Institut für Romanistik der Universität Potsdam über „Erinnerungen chilenischer Romane als Beitrag zur Vergangenheitsaufarbeitung“.
Die Veranstaltung wird konsekutiv spanisch-deutsch übersetzt.
Veranstalter: Medico international, Rosa Luxemburg Stiftung, Lateinamerika Nachrichten, die Tageszeitung und FDCL