Das FDCL hat 2018 eine Studie der, Escuela Nacional Sindical (ENS) aus Kolumbien veröffentlicht, die die Auswirkungen des Handelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien und Peru hinsichtlich der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte analysiert. Der Originaltitel lautet: The Precarious state of labour rights in Colombia – Resolution 2628 of the European Parliament von Daniel Hawkins und Laura Valderrama. Im folgenden die Übersetzung der Einleitung und der Schlussfolgerungen der englischsprachigen Studie.

Einleitung

Am 13. Juni 2012 wurde die Resolution 2618 des Europäischen Parlaments unterzeichnet. Sie wird auch allgemein als Roadmap (deutsch: Fahrplan) des Handelsabkommens zwischen Kolumbien, Peru, Ecuador und der Europäischen Union (EU) bezeichnet und kann als Erweiterung des Obama-Santos Labour Action Plan (Aktionsplan Arbeit – LAP) betrachtet werden. Die Resolution 2628 umfasst eine Reihe von Themen aus dem Feld der Arbeits- und Gewerkschaftsrechte, meist in enger Anlehnung an die im LAP aufgeführten Verpflichtungen der kolumbianischen Regierung. Nichtsdestotrotz gibt es in manchen Fällen auch Abweichungen seitens des Europäischen Parlaments (EP): während der LAP bei den an die kolumbianische Regierung gerichteten Forderungen eindeutiger ist, vertritt das EP allgemeinere Standpunkte, die meist schwieriger zu messen sind.

Mit der Resolution will das EP gewährleisten, dass die kolumbianische Regierung Maßnahmen trifft, um den Schutz der Menschen- und Arbeitsrechte im Land sicherzustellen und jegliche Beschränkungen dieser Rechte bestraft. Kolumbianische Arbeitnehmer_innen sollen ihren Tätigkeiten nachgehen können im Vertrauen darauf, dass ihre Arbeitsrechte respektiert und tatsächlich geschützt werden.

Der Grund der Resolution 2628 des EP – im Sinne eines an die kolumbianische Regierung gerichteten förmlichen Ersuchens – ist die Beendigung der einseitigen Handelspräferenzen, die die Europäische Union Kolumbien im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS+) gewährte. Durch die Ratifizierung des Handelsabkommens fallen diese Handelspräferenzen weg. Die Handelsbeziehungen zwischen den unterzeichnenden Staaten wurden ausgeweitet, jedoch ohne die ausdrückliche Verpflichtung, dass die betreffenden Andenländer die 27 Übereinkommen zum Schutz elementarer Menschenrechte (insbesondere jene, die eine Beziehung zu den vier Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) aufweisen) und Umweltrechte tatsächlich umsetzen. Im ASP+ waren die Übereinkommen enthalten.

Das APS System hat zwei Formen: Eines, das weniger entwickelte Länder im Handel einseitig begünstigt und ein weiteres, das zusätzlich nachhaltige Entwicklung und “gute Regierungsführung” fördern soll. das APS +.1 Neben Kolumbien und Peru profitierten zwischen 2009 und 2011 weitere 14 Länder vom APS+. Obwohl die EU niemals ein in das APS+ System einbezogenes Land sanktioniert hat und trotz Zweifel vieler Expert_innen an der ernsthaften Umsetzung der 27 Übereinkommen in manchen Ländern, argumentieren andere, dass sowohl das APS+ Regime der EU als auch das Präferenzsystem der USA „größere Garantien bieten als die in den letzten Jahren unterzeichneten Handelsabkommen“. 2

Die Ratifizierung und partielle Umsetzung des Handelsabkommens zwischen der EU und Kolumbien-Peru (und kürzlich auch Ecuador3) beendeten die Gültigkeit des APS+ und damit der Handelspräferenzen, die diesen Ländern gewährt wurden. Stattdessen wurde zur Unterstützung des Menschenrechtsschutzes eine analoge Klausel in das Handelsabkommen aufgenommen, die von Kolumbien im Abkommen über Politischen Dialog und Zusammenarbeit – EU-CAN 2003 – unterzeichnet wurde. Diese Klausel, die Bestandteil aller von der EU ausgehandelten Handelsabkommen ist, unterstreicht die Notwendigkeit, dass Partnerstaaten grundlegende Menschenrechte achten. Im Falle der Verletzung eines dieser Rechte, wird die EU „geeignete“ Maßnahmen im Rahmen des internationalen Rechts treffen. Zusätzlich enthält das Abkommen ein Kapitel zu Handel und nachhaltiger Entwicklung (Titel 11). Dieses beinhaltet Klauseln, die zu einer Einhaltung der Kernarbeitsnormen der ILO, zur Ratifizierung und tatsächlichen Umsetzung der grundsätzlichen Übereinkommen der ILO und zur Förderung einer Agenda für menschenwürdige Arbeit verpflichten.4 Als Mittel zum Schutz und zur Durchsetzung der ILO Kernarbeitsnormen legt Kapitel 11 fest, dass diese von „den jeweiligen Arbeitsgesetzgebungen der Unterzeichnerstaaten beobachtet und umgesetzt“ werden.

Diesen Absichtserklärungen zum Trotz ist Kolumbien bei der Achtung und dem Schutz der Menschenrechte in der Praxis weit von der Einhaltung einer Reihe grundlegender Übereinkommen der ILO und der in Kapitel 9 des Handelsabkommens aufgeführten konkreten Klauseln entfernt. Deshalb hat das EP, dem LAP Modell folgend und insbesondere aufgrund des seitens einiger Parlamentarier_innen ausgeübten Drucks, die kolumbianische Regierung aufgefordert, einen konkreten Fahrplan für Verbesserungen vorzulegen, die zu einer Gewährleistung und dem besseren Schutz der Menschen- und Umweltrechte für die schutzbedürftigsten Bürger_innen des Landes führen sollten. Dieser Fahrplan wurde mittels der Resolution 2628 formalisiert. Sie beabsichtigte klare Aufgaben und Verbesserungen zu benennen, die von der kolumbianischen Regierung umgesetzt werden müssen, um die Fortsetzung des Handelsabkommens mit der EU zu gewährleisten, ohne dass formale Streitbeilegungsmechanismen bemüht werden müssen.

IV. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die in der Resolution 2628 enthaltenen Anregungen und Empfehlungen des Europäischen Parlaments werden weder von der kolumbianischen Regierung noch von in Kolumbien agierenden Multinationalen Konzernen zufriedenstellend umgesetzt. Die Tabelle zeigt eine grobe Schätzung der Fortschritte für jeden der 11 untersuchten Bereiche. Hierbei ergab kein konkreter Fortschritt5 eine Punktzahl von 0, ein teilweiser Fortschritt ergab 3 Punkte und ein erheblicher Fortschritt die Höchstpunktzahl 6. Das Ergebnis zeigte, dass die kolumbianische Regierung bezüglich der Einhaltung der Empfehlungen sehr nachlässig war. In keinem der 11 Bereiche wurde ein konkreter, erheblicher Fortschritt erzielt. In nur 8 Bereichen wurden partielle messbare Fortschritte erreicht, ohne dass der politische Wille erkennbar war, Schutzmaßnahmen und Garantien flächendeckend an allen Arbeitsplätzen zu gewährleisten. Im Gesamtergebnis wurden nur 36% der Aufgaben begonnen. Zudem ist höchst besorgniserregend, dass in drei Bereichen (dem Verbot des illegalen Auslagerns von Arbeitsplätzen, der Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von Gewerkschaftsrechten sowie der Ratifizierung und Umsetzung der ILO-Abkommen 122 und 135) kein erkennbarer Fortschritt gemacht wurde.

Erfüllungsgrad der Fortschritte bei Arbeits- und Gewerkschaftsrechten in der Resolution 2628

Topic

No progress (=0)

Partial progress (=3)

Significant progress (=6)

  1. Abschaffung/Verbot des illegalen Outsourcing von Arbeit

X

  1. Förderung der Formalisierung von Arbeitsverträgen

X

  1. Institutionelle Stärkung der Arbeitsaufsicht

X

  1. Gewalt gegen Gewerkschafter_innen und Straflosigkeit

X

  1. Schutz für Gewerkschafter_innen

X

  1. Förderung der Gewerkschaftsrechte und Bestrafung von Unternehmen wegen Diskriminierung von Gewerkschaften

X

  1. Rechtliche Schritte um Gewerkschaftsrechte zu garantieren

X

  1. Förderung von Dialogforen mit der Zivilgesellschaft

X

  1. Förderung von Unternehmensverantwortung

X

  1. Abschaffung von Kinderarbeit

X

Erfüllungsgrad, geschätzt: 24/66 = 36%

Der OECD-Ausschuss für Beschäftigung und Soziale Angelegenheiten bewertet den Zustand der Arbeitsbeziehungen in Kolumbien, soll einen Weg für die Einhaltung von OECD-Standards aufzeigen und die Fortschritte der kolumbianischen Regierung beobachten. Anfang 2018 hat der Ausschuss dem Antrag der kolumbianischen Regierung zur Aufnahme in die OECD zugestimmt. Gleichzeitig stellte der Ausschuss fest, dass insbesondere in vier Bereichen noch umfassende Fortschritte ausstehen: Informelle Arbeitsverhältnisse und illegale Auslagerung von Arbeitsplätzen; Einhaltung der Arbeitsgesetzgebung; Schutz der Tarifverhandlungen und Gewalt gegen Gewerkschaften und Gewerkschaftsschutz. Der Bericht untersucht die in jedem dieser vier Bereiche im Zeitraum 2012 bis 2017 erzielten Fortschritte, die bestenfalls als äußerst bescheiden bezeichnet werden können. Vor allem in den Bereichen der informellen Arbeitsbeziehungen und der illegalen Auslagerung von Arbeitsplätzen konnten die von der Regierung umgesetzten Gesetzesinitiativen und Maßnahmen nicht die prekäre Lage der kolumbianischen Arbeiter_innen verbessern. Stattdessen wird, wie aufgezeigt wurde, zu jeder ergriffenen Maßnahme oder Gesetzesinitiative seitens skrupelloser Geschäftsleute eine Gegenstrategie oder -maßnahme ergriffen. Der Kern des Problems liegt in der Unwirksamkeit und der Unfähigkeit des kolumbianischen Staates, für eine Einhaltung der Arbeitsgesetze zu sorgen und dies obwohl deutliche Anpassungen, eine erhebliche Steigerung der Haushaltsmittel und des Personals des Arbeitsministeriums in den Jahren nach der Unterzeichnung des Labour Action Plan (LAP) stattgefunden haben. Solange die Einhaltung der Arbeitsgesetze nicht tatsächlich durchgesetzt wird, werden Anpassungen in der Gesetzgebung oder politische Maßnahmen wirkungslos bleiben. Das gilt vor allem in Bezug auf einen ausreichenden Schutz der Arbeiter_innen/Arbeitnehmer_innen vor der Unternehmerschaft, die sich der unzulänglichen staatlichen Regulierung der Arbeitsbeziehungen allzu bewusst ist und auf schnelle Profite zulasten angemessener Arbeitsbedingungen setzt.

1 Siehe: Siroën, Jean-Marc. (2013). “Disposiciones laborales en los tratados de libre comercio: balance y perspectivas”. Revista Internacional del trabajo. Vol. 132, Nr. 1 (S. 99-122).

2 Siehe: Polaski und Vyborny zitiert in: Siroën, Jean-Marc. 2013, ebda., S.109.

3 Ecuador und die Europäische Union haben das Beitrittsprotokoll zu diesem Abkommen im November 2016 unterzeichnet.

4 Siehe: Tuininga, Madelaine. 2017. “Trade and Sustainable Development chapters in EU Trade Agreements. Brussels, 11 September. Head of Unit, DG Trade D1 Trade and Sustainable Development, European Commission. http://www.amfori.org/sites/default/files/TSD%20Chapters%20in%20FTA_discussion%20enforcement%20FTA%2011%20sep.pdf (Zugriff am 20. März 2018).

5 Hierbei werden nicht die Gesetzesreformen berücksichtigt, sondern das Ausmaß ihrer Umsetzung. Beispielsweise gab es eine Reihe von Anpassungen der kolumbianischen Arbeitsgesetzgebung zum Thema des illegalen Auslagerns von Arbeitsplätzen. Diese Änderungen führten jedoch nicht zu einer nennenswerten Verringerung.