Géraldine Duquenne (Commission Justice & Paix, Brüssel)

Der Titel IX «Handel und Nachhaltige Entwicklung» des 2013 in Kraft getretenen Handelsabkommens zwischen der EU und Peru/Kolumbien/Ecuador sieht eine Beteiligung der Zivilgesellschaft in Form von Beobachtung und Monitoring vor. Titel IX überlässt den Vertragsparteien die Entscheidung, ob eine neue ad hoc Gruppe eingerichtet oder die bereits existierenden Dialoginstanzen mit der Zivilgesellschaft genutzt werden. Die Konsultativgruppen sollen unabhängig, repräsentativ und ausgewogen zusammengesetzt sein aus Gewerkschaften, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen. Einmal pro Jahr findet ein offenes Dialogforum mit Vertreter_innen der vier Vertragsparteien statt, auf dem die Zivilgesellschaft Anmerkungen und Empfehlungen abgeben kann.

Wie hat sich dieser Prozess seit Inkrafttreten des Vertrags 2013 konkret entwickelt?

Auf europäischer Ebene wurde rasch eine Konsultativgruppe gegründet. Diese Gruppe wird vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ermöglicht, der in Absprache mit dem/der Präsident_in der Domestic Advisory Group (DAG) die Sitzungstermine festlegt, die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und das Sekretariat stellt. Die Präsidentschaft und die Mitglieder werden alle zwei Jahre erneuert.

Auf kolumbianischer Ebene hat sich bis letztes Jahr keine eigenständige Gruppe gebildet. Laut Regierung werden die bestehenden Instanzen genutzt. Jedoch nahm die kolumbianische DAG über eine Videokonferenz am letztjährigen Forum in Lima teil und trat als unabhängige neugegründete Gruppe auf. Die anwesenden zivilgesellschaftlichen Teilnehmer_innen zeigten sich überrascht, da sie sich mehrfach vergeblich um Herstellung eines Kontakts zu ihren kolumbianischen Kolleg_innen bemüht hatten. Unsere üblichen Gesprächspartner_innen hatten keinerlei Kenntnis über die Gründung dieser neuen DAG und waren dazu nicht eingeladen worden. Trotzdem erschien es als ein Schritt in die richtige Richtung.

Auf peruanischer Ebene entschied sich die Regierung von Beginn an für eine Nutzung der bestehenden Instanzen. Jedoch funktionieren diese erwiesenermaßen nicht und setzen ein Monitoring des Handelsabkommens nie auf die Tagesordnung. In Peru ist eine Anerkennung der Rolle der Zivilgesellschaft seitens der Regierung nicht einfach; denn die Regierung hält es nicht für nötig, der Zivilgesellschaft einen Raum zu geben. Beim offenen Forum 2017 hatte sich die Zivilgesellschaft (NRO und Gewerkschaften) darauf eingestellt und eine unabhängige DAG gegründet, um eine Anerkennung im Rahmen des Forums zu erreichen. Sie kontaktierten Unternehmer_innen und erhielten von Einigen positive, aber unverbindliche Rückmeldungen. Die Antwort der Regierung auf diesen Vorschlag eine DAG zu gründen war vollkommen ablehnend. Diese nicht anerkannte DAG arbeitet parallel weiter.

Auf ecuadorianischer Ebene schreitet der Prozess voran. Ecuador ist erst kürzlich, im Januar 2017, dem Abkommen beigetreten. Eine unabhängige DAG wurde noch nicht gegründet. Wir haben erfahren, dass es seitens der Kommission für die Zivilgesellschaft ein Informationstreffen über die Funktionsweise der europäischen DAG gab.

Bewertung der europäischen DAG:

Wir halten die Existenz einer Dialoginstanz mit der Zivilgesellschaft innerhalb eines Handelsabkommens für richtig. Wir erkennen auch die gute Organisation der europäischen DAG und die Mittel die dafür bereitgestellt werden an. Wir haben die Möglichkeit zu allen Foren der Mitgliedsstaaten zu reisen. Es ist gut, einen direkten Dialog mit den europäischen Kommissionsvertreter_innen zu führen.

Jedoch haben wir, obwohl die Europäische Kommission die Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt dieses Titels IX stellt, nicht den Eindruck besonders gehört zu werden. So stellen die Foren meist keinen Dialog dar, sondern die Zivilgesellschaft drückt ihre Besorgnisse aus, die Kommissionsvertreter_innen antworten und es gibt keinerlei Follow-up dieser Vorgänge. So fragen wir uns gelegentlich, ob wir lediglich der Legitimierung des Kommissionsanspruchs dienen.

Wir bedauern auch die Tatsache, dass die anderen Vertragsparteien dem Monitoring durch die DAGs nicht dieselbe Wichtigkeit einräumen, was eine Koordinierung unter den verschiedenen DAGs schwierig macht. Wir sind der tiefen Überzeugung, dass der Text des Abkommens die Definition dessen, was eine DAG sein sollte, viel präziser fassen sollte.

Aufgrund der Wahrnehmung, dass die Foren nichts bringen hat sich die Plattform Europa Peru – Vizepräsidentin der DAG – entschieden, einen weiteren Schritt nach Vorne zu machen und eine Beschwerde aufgrund der Verletzungen des Titels IX einzureichen. Dies erschien uns als bester Weg, um ernst genommen zu werden, in der Hoffnung, dass die im Vertrag enthaltenen Verpflichtungen erfüllt werden. Tatsächlich war die Reaktion der Europäischen Kommission positiv und der Beschwerdevorgang schreitet voran.

Zusammengefasst erachten wir die Existenz der europäischen DAG als positiv, jedoch sollte ihre Rolle ausgeweitet werden. Beispielsweise sollte ihre Analyse in den jährlichen Evaluationsberichten des Abkommens größere Beachtung finden. Sonst werden die Mitglieder ihrer Beteiligung überdrüssig werden und sich nutzlos fühlen. Dies war bereits im November 2017 in Lima der Fall, als die Regierung sogar die Durchführung des Forums in Zweifel zog.