Update zum Tía María Konflikt 27.05.2015:

Regierung verhängt Ausnahmezustand

Tia-Maria-Soli-Kundgebung_Lima_GrufidesNach den heftigen Protesten der Bevölkerung gegen das geplante Bergbauprojekt Tía María in der peruanischen Provinz Islay hat Präsident Ollanta Humala am 22.5.2015 den Ausnahmezustand über sechs Distrikte verhängt (Decreto Supremo N° 040-201-PCM). Die Verfügung gilt für 60 Tage und betrifft die Distrikte Cocachacra, Deán Valdivia, Punta de Bombón, Mejía, Mollendo e Islay. Humala verkündete den Ausnahmezustand nachdem ein weiterer Demonstrant bei den Protesten zu Tode gekommen war – durch Schüsse der Polizei. Er ist der vierte Tode in dem zwei Monate andauernden Konflikt um den geplanten Kupfertagebau des mexikanischen Konzerns Southern Copper. Der Präsident begründete den Ausnahmezustand damit, dass die öffentliche Ordnung in Islay durch „eine Kampagne der Desinformation und Stigmatisierung von Wirtschaftsprojekten aus ideologischen Gründen in der Vorwahlphase“ gefährdet sei, die von Personen geführt würde, die „terroristischen Organisationen wie dem Sendero Luminoso“ nahe stünden.

Damit flüchtet sich der Präsident erneut in einen Diskurs der Kriminalisierung von sozialen Bewegungen, in dem er die bergbaukritischen Proteste von hauptsächlich Bäuerinnen und Bauern mit terroristischer Bedrohung gleichsetzt. Anstatt auf Dialog mit der lokalen Bevölkerung setzt die peruanische Regierung weiter auf Eskalation. Die Proteste flammten auf, nachdem die vom peruanischen Gesetz vorgeschriebenen Konsultationen der betroffenen Bevölkerung nicht durchgeführt wurden und Southern Copper eine mangelhafte Umweltauswirkungsstudie zu Tía María veröffentlicht hatte. In der landwirtschaftlich geprägten Region befürchten die Menschen Wasser- und Umweltverschmutzungen durch die geplante Mine. Mit dem Ausnahmezustand werden grundlegende Bürgerrechte wie die Bewegungs-,Versammlung- und Kommunikationsfreiheit sowie das Hausrecht eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt. Zudem können Personen ohne Angaben von Gründen verhaftet werden. Der Berufsverband von Arequipa und andere zivilgesellschaftliche Organisationen verurteilten die Verhängung des Ausnahmezustandes.

Nur kurze Zeit später genehmigte die Regierung den Einsatz des Militärs zur „Aufstandbekämpfung“ auch in sieben anderen Regionen des Landes (Resolución Suprema 118 2015 IN). Nachdem für den 26. und 27. Mai 2015 Solidaritätskundgebungen mit den Protesten in Islay in den Regionen Apurímac, Ayacucho, Cajamarca, Cusco, Moquegua, Puno y Tacna angekündigt wurden, entsendet die Zentralregierung in Lima die Armee zur „Wahrung der öffentlichen Ordnung“. Diese Verfügung gilt erst einmal bis zum 26. Juni 2015. Peruanische Kommentatoren befürchten eine schleichende Militarisierung in Peru, um umstrittene Bergbauprojekte mit Hilfe des Militärs und Einschränkung der bürgerlichen Grundrechte durchzusetzen.

David Vollrath

 

„Das Umweltgutachten zu Tia Maria ist ein Witz“

21.05.2015

marcha-tia-mariaSeit Mitte März erschüttern Proteste gegen das geplante Bergbauprojekt Tía María den Süden Perus. Große Teile der Bevölkerung der Provinz Islay demonstrieren seit 60 Tagen gegen den Ausbau der Kupfermine des mexikanischen Unternehmens Southern Copper. Bei den Demonstrationen, die vor allem von tausenden Bauern aus dem landwirtschaftlich geprägten Valle de Tambo (Tambotal) getragen werden, sind bisher drei Menschen getötet worden. Die Bevölkerung des Tambotal fürchtet durch die Mine, die 120.000 Tonnen Kupfer jährlich produzieren soll, ihre landwirtschaftlichen Lebensgrundlagen zu verlieren. „Wir sprechen über eine wichtige landwirtschaftliche Zone der Region Arequipa. Die Menschen in Islay wissen, dass Tía María nur das erste von vielen geplanten Projekten ist und sie befürchten, dass sich ihre Region von einem ausgeprägten Agrargebiet in eine Bergbauzone verwandeln wird“, erklärt Dr. Jose de Echavé, peruanischer Ökonom und Bergbauexperte.

Anfang Mai verlegte Präsident Humala 4000 Soldaten nach Islay, um die Kontrolle über die Provinz zurückzugewinnen und das Projekt unter militärischem Schutz fortzusetzen. Regierungsvertreter rechtfertigten die Entsendung der Armee, indem sie die DemonstrantInnen in den Medien als „Gewalttäter“ und „Antibergbau Terroristen“ stigmatisieren und so versuchen, die Proteste zu kriminalisieren. Der Umweltminister Manuel Pulgar-Vidal forderte „Die Proteste müssen strafrechtlich verfolgt werden. (…) Die Staatsanwaltschaft und das Justizministerium müssen ihre Arbeit machen.“ Doch auch die Militarisierung der Provinz konnte den Widerstand gegen das 1,6 Milliarden Dollar Bergbauprojekt nicht brechen. Im Gegenteil. Nur einen Tag nach der Stationierung der Armeeeinheiten im Tambotal solidarisierte sich die Bevölkerung der Nahe gelegenen Metropole Arequipa, die zweitgrößte Stadt Perus, mit den protestierenden Bauern und trat in einen 72 stündigen Generalstreik. Am 15. Mai verkündete Southern Copper, dass der Kupferabbau in Tía María für 60 Tage unterbrochen wird, „um das Projekt gesellschaftsfähig zu machen und die offenen Zweifel der Bevölkerung zu klären“, so der Souther Copper Firmenchef Oscar Gonzales.

Ob Regierung und Unternehmen auf die Forderungen der Bevölkerung eingehen, bleibt abzuwarten. Die Menschen im Tambotal kritisieren vor allem, dass sie nicht konsultiert wurden und nicht über das Projekt abstimmen konnten, obwohl es ihre Lebenssituation unmittelbar betrifft und eine Konsultation der ansässigen Bevölkerung bei solchen Projekten gesetzlich vorgeschrieben ist. Einen weiterer Kritikpunkt betrifft das Umweltgutachten zum Bergbauprojekt, dass bereits 2011 Proteste gegen Tía María provozierte und nachgearbeitet werden musste. Doch auch die neue Version sei mangelhaft, so Experten der Universidad Nacional de San Agustín de Arequipa (UNSA). Die von Souther Copper präsentierte Umweltauswirkungsstudie (EIA) gleiche einem „Märchen“, so das vernichtende Urteil der Wissenschaftler Otto Hito Urquizo, Hugo Rivera und David del Carpio Lazo, die ihre Analyse der EIA am 18. Mai 2015 in der UNSA präsentierten. Weder erwähne die Umweltstudie des Unternehmens, dass in Tía María neben Kupfer auch Gold unter Einsatz von hochgiftigem Zyanid abgebaut werden wird, noch berücksichtige es die drohende Kontaminierung des Grundwassers und der anliegenden Flüsse, welche die landwirtschaftlichen Flächen des Tambotal mit Wasser versorgen. Die Umweltauswirkungsstudie von Southern Copper zu Tia Maria sei „ein Witz“, schlussfolgerten die drei Wissenschaftler.

Im Juli 2014 unterzeichnete Deutschland ein Rohstoffpartnerschaftsabkommens mit Peru. In diesem Zusammenhang erklärte Bundesaußenminister Steinmeier, dass „die Einhaltung von Menschenrechten, der Schutz der indigenen Bevölkerung und die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards“ wesentliche Elemente des Abkommens sind. Deutschland ist ein Hauptimportland von peruanischem Kupfer. Der Arbeitskreis Rohstoffe (AK Rohstoffe), eine Koalition aus verschiedenen Menschenrechts- und Umweltorganisationen, kritisierte das Abkommen aufgrund der menschenrechtlich problematischen Situation in den peruanischen Bergbaugebieten. In einem aktuellen Brief fordert der AK Rohstoffe das Bundeswirtschaftministerium auf, Stellung zu dem Konflikt um Tía María zu beziehen.

David Vollrath