Wer trägt die Verantwortung für die Folgen des Bergbaus in Kolumbien und Peru?
Berlin, 26. Oktober 2011, Heinrich-Böll-Stiftung Berlin, 13:00 – 19:00 Uhr
Rohstoffpolitik war vor wenigen Jahren noch ein Nischenthema. Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert: Die wichtigsten Industrieländer haben in den letzten Jahren Strategien verabschiedet, um sich den Zugang zu knapper werdenden Ressourcen zu sichern. Doch gerade der Rohstoffsektor weist vielerorts eine verheerende Menschenrechts- und Umweltbilanz auf. Dabei profitieren die Menschen in den Förderregionen, die die Umwelt- und sozialen Folgen tragen, in der Regel nicht vom Rohstoffreichtum, der andererseits für die Unternehmen große Gewinne abwirft.
Um über die Auswirkungen des Rohstoffabbaus auf Menschenrechte, Umwelt und Entwicklung zu diskutieren, luden „Brot für die Welt“, das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile Lateinamerika (FDCL), FIAN Deutschland, die Kampagne „Bergwerk Peru: Reichtum geht, Armut bleibt“, kolko – Menschenrechte für Kolumbien und Misereor am 26. Oktober zu einer Tagung nach Berlin. Unter dem Motto „Rohstoffe aus dem Andenraum für Deutschland. Wer trägt die Verantwortung für die Folgen des Bergbaus in Kolumbien und Peru?”nahmen etwa 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aktiv an den Diskussionen teil.
Im Einführungsvortrag stellte Lili Fuhr von der Heinrich Böll Stiftung die Rohstoffstrategien der EU und Deutschlands vor, die beide das Ergebnis massiver Lobby-Bemühungen insbesondere der deutschen Industrie sind. Laut Fuhr haben sowohl die Europäische Kommission als auch die Bundesregierung Wettbewerbsverzerrungen, wie die Anwendung von Exportsteuern und Beschränkung von Investitionen in den Förderländern, als Hauptprobleme ausgemacht. Die Interessen der Bevölkerungen in den rohstoffreichen Ländern würden dabei jedoch kaum berücksichtigt. Als Alternativen schlug Fuhr eine Reduzierung des Konsums, den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft, eine Verbesserung der Transparenz, mehr Regulierung und eine Einbeziehung der vom Bergbau Betroffenen vor.
Anschließend gab César Padilla von der „Beobachtungsstelle für Bergbaukonflikte in Lateinamerika“ (OCMAL) einen Überblick über den derzeit boomenden Bergbausektor auf dem Sub-Kontinent. Lag der Anteil Lateinamerikas am weltweiten Bergbau 1990 noch bei zwölf Prozent, so betrug er 2009 bereits 35 Prozent. Kennzeichnend für den Bergbau in Lateinamerika sei eine in Folge neoliberaler Politiken implementierte schwache Regulierung des Sektors. Auch generiere dieser kaum Einnahmen für die Regierungen der Region, während transnationale Konzerne hohe Gewinne einstrichen.
Anschließend ging Padilla in einem zweiten Vortrag auf den Kupferabbau in Peru ein. Nach China und Japan sind Deutschland und Italien die wichtigsten Abnehmer peruanischen Kupfers. Padilla machte die Schwächen bei der Regulierung des Sektors am Beispiel Peru deutlich. So sei das Ministerium für Energie- und Bergbau bisher sowohl für die Ausweitung sowie die Kontrolle des Bergbausektors verantwortlich. Es erteile die Lizenzen sowie Konzessionen an transnationale Konzerne und bewillige gleichzeitig die Umweltstudien. Ein Großteil der sozialen Konflikte in Peru hätten ihren Ursprung im Bergbau.
Einen Einblick in die konkreten lokalen Auswirkungen gewährte dann Ruth Luque Ibarra von der katholischen Organisation „Solidaritätsvikariat der Prälatur von Sicuani – Cusco, Peru“. Am Beispiel der in den Anden gelegenen Provinz El Espinar zeigte sie auf, wie wenig die lokale Bevölkerung vom Kupfer-Abbau profitiert. Trotz des Bergbaus lebe die Bevölkerung der Gegend in Armut, habe kaum Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen und kämpfe mit negativen Folgen für Gesundheit und Umwelt, so Luque Ibarra in ihrem Vortrag.
Mit dem Thema Kohleabbau in Kolumbien beschäftigte sich anschließend Gloria Holguín von der Nichtregierungsorganisation „Pensamiento Acción Social“. Kolumbien sei der viertgrößte Kohleexporteur der Welt und gehöre zu den wichtigsten Lieferanten Deutschlands. Der Abbau finde fast ausschließlich im Tagebau in den Departamentos La Guajira und Cesar statt, von wo die Kohle auf teilweise über 100 Waggons umfassenden Zügen im Halbstundentakt zu Häfen in der Karibik transportiert werde. Anhand des Dorfes El Hatillo, das von vier großen Bergbauprojekten umzingelt ist, zeigte Holguín die Dramatik der Situation für die lokale Bevölkerung auf, die mit Atemwegserkrankungen und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit konfrontiert ist. Der Zugang zu Land für landwirtschaftliche Aktivitäten ist für die Dorfbewohner_innen abgeschnitten. Seit Jahren wartet die Gemeinde auf die zugesagte Umsiedlung.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion stellte Moderatorin Dr. Heidi Feldt die Frage nach der Verantwortung im industriellen Bergbau in den Mittelpunkt. Dr. Sven Renner vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) fasste noch einmal die Komplexität des Themas Rohstoffe zusammen, indem er auf die jeweils für sich betrachtet schon komplexen Unterthemen wie Besteuerung, Transparenz und Verantwortung der Politik verwies. Im Anschluss plädierte Dr. Erich Schmitz als Geschäftsführer des Vereins der Kohleimporteure für die Umsetzung freiwilliger Leitlinien innerhalb der Unternehmen. Deutschland alleine könne nicht viel an den negativen Bedingungen in kolumbianischen Bergwerken ändern, da andere Länder wie China bereitstünden, die bisherigen deutschen Importe zu übernehmen. Dem widersprach MdB Oliver Krischer von Bündnis 90/Die Grünen. Es könne nicht sein, das mit dem Verweis auf China jegliche Politik eingestellt würde. Er plädierte dafür, dass die Unternehmen ihrerseits konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Lage machen sollten. MdB Klaus Barthel von der SPD kritisierte die rein auf ökonomischen Prämissen basierende Rohstoffpolitik der Bundesregierung und forderte die Entwicklung eines integrierten Politikkonzeptes. Es müsse ein allgemeinverbindliches Rechtssystem geschaffen werden, das umfassende Transparenz herstelle.
Im Anschluss präsentierte César Padilla als Vertreter aus dem Süden noch einige Schlussfolgerungen. Da der Preis einzelner Rohstoffe nicht die verursachten Schäden mit abbilde, müssten die Preise deutlich steigen. Die Steuersysteme in Lateinamerika seien wie im Falle von Chile teilweise noch Überbleibsel aus Militärdiktaturen und müssten dringend reformiert werden. Die Forderung nach freiwilligen Standards kritisierte Padilla deutlich. Er wies darauf hin, dass etwa die Einhaltung von Menschenrechten niemals eine Frage der Freiwilligkeit sein dürfe. Deutschland könne durch seine Marktmacht durchaus eine bedeutende Rolle bei der Durchsetzung verbindlicher Standards spielen. In dem Zusammenhang sei auch das Verhalten der Endkonsumenten wichtig.
Im Schlusswort betonte Sebastian Rötters, der die Tagung im Namen von FIAN mitorganisiert hatte, noch einmal die Verantwortung Deutschlands und unterstützte die Forderungen nach mehr Transparenz und verbindlichen Sozial- und Umweltstandards. Die Veranstaltung sei hoffentlich der Beginn eines längeren Dialogs über Rohstoffe, deren Förderbedingungen und die Verantwortung der Verbraucherländer.
Text: Tobias Lambert
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