Die Verschärfung der globalen Ernährungskrise, die durch stark gestiegene und extrem schwankende Nahrungsmittelpreise in den Jahren 2007-08 ausgelöst wurde, führte zu einer lebhaften Debatte über mögliche Ursachen dieser Entwicklung. Weit oben auf der Liste der Schuldigen rangierten die Finanzspekulation mit Rohstoffen und die Erzeugung von Bioenergie aus Nahrungspflanzen. Vergleichsweise unterbelichtet jedoch blieb der durch Tierfabriken angeheizte Trend zu immer fleischreicherer Ernährung, obgleich die Verfütterung von Getreide und Ölsaaten einen großen Anteil an den globalen Ernten hat und als überaus ineffiziente Verwendung pflanzlicher Energie und des erforderlichen Ackerlandes gilt.
Trotzdem das global expandierende System industrieller Tierfabriken einen beträchtlichen Teil des Ernteguts und knapper natürlicher Ressourcen wie Land und Wasser beansprucht, wird es von einer Reihe internationaler Organisationen noch immer als ein Beitrag zur Sicherung der Welternährung und als Einkommensmöglichkeit verarmter Kleinbauern in Entwicklungsländern dargestellt.
In einem gemeinsamen Bericht aus dem Jahre 1999 konstatierten die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, das Internationale Institut für Ernährungspolitik IFPRI und das Internationale Nutztierforschungsinstitut ILRI einen tiefgreifenden Wandel des Agrarsystems, den sie die ‚Livestock Revolution‘ nannten, d.h. eine Revolution in der Produktion und dem Konsum von Nutztieren. Anders als die frühere Grüne Revolution, die die Autoren als angebotsgetrieben betrachteten, sei die ‚Nutztier-Revolution‘ nachfragegetrieben. Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Einkommenszuwächse in Entwicklungs- und Schwellenländern würden die Nachfrage nach tierischen Produkten wie Fleisch, Milch und Eier anheizen.1
Der Bericht ging ferner davon aus, dass die ‚Livestock-Revolution‘ Verbrauchern und Erzeugern in den Ländern des Südens erhebliche Vorteile bieten würde. Durch höheren Konsum tierischen Proteins könnten Verbraucher ihre Ernährung verbessern, während Erzeuger in den Genuss neuer Einkommensmöglichkeiten kämen. Die wachsende Nachfrage nach tierischen Produkten würde den „weitverbreiteten Mangel an Mikronährstoffen und Proteinen“ beseitigen helfen2, und wenn die politischen Rahmensetzungen stimmen, könne der Ernährungswandel von Milliarden Menschen „vielen ländlichen Armen wachsende Einkommensmöglichkeiten eröffnen“.3
Doch es ist zu fragen, ob sich die erhofften Vorteile der ‚Nutztier-Revolution‘ vor allem für die weltweite Armutsbevölkerung tatsächlich eingestellt haben. Die folgenden Seiten bieten daher eine Art ‚Reality Check‘ einiger der Erwartungen, die mit dem Trend zur Massenproduktion tierischer Lebensmittel und zu einer fleischhaltigeren Ernährung verbunden wurden. Analysiert werden die Auswirkungen dieses Wandels der Produktions- und Konsummuster auf die Ernährungssicherheit in den Ländern des Globalen Südens.
Inhalt
1. Einführung
2. Geografie des Fleischkonsums
3. Ineffizienz von Tierfabriken
4. Landbedarf einer fleischreichen Ernährung
5. Preistrends und der Wettbewerb zwischen Brot und Trog
6. Fleisch, Handel und Dumping
7. Tierhaltung und Klimawandel
8. Inklusive Geschäftsmodelle auf Kosten der Armen
9. Schlussfolgerungen
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Autor: Thomas Fritz
Herausgeber: FDCL-Verlag, Berlin
Layout: Monika Brinkmöller
Druck: Copy House
Umschlagfoto: Matt Mac Gillivray/ Flickr
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Diese Publikation wurde anteilig gefördert durch die Europäische Union. Der Inhalt der Publikation liegt in der alleinigen
Verantwortung der Herausgeber und kann in keiner Weise als Sichtweise der Europäischen Union angesehen werden. Sie wurde veröffentlicht im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projekts “Put MDG1 back on track: supporting smale scale farmers, safety nets and stable markets to achieve food security”. Partnerorganisationen des Projekts sind: Glopolis (CZ),
FDCL (DE), SOS Faim Belgium und SOS Faim Luxembourg.