Pressemitteilung

Chile: Demonstration an den Toren der Colonia Dignidad

Angehörige von Verschwundenen fordern Gedenkstätte von Bundesregierung - Koloniebewohner verschließen das Eingangstor

Morgen (Dienstag) Demonstration in Berlin von der chilenischen Botschaft zum Auswärtigen Amt (siehe PDF im Anhang)

Etwa hundert Personen haben am gestrigen Sonntag (08.09.2013) an den Toren der Colonia Dignidad in Südchile gegen Straflosigkeit und für die Errichtung einer Gedenkstätte demonstriert. In der Deutschensiedlung wurden während der Pinochet-Diktatur hunderte Menschen gefoltert und vermutlich über hundert ermordet. Die Teilnehmer/-innen des Protests, vorwiegend Angehörige von verschwundenen Pinochet-Gegnern und einige ehemalige politische Gefangene, die in den 70er Jahren in der Colonia Dignidad festgehalten und gefoltert wurden, fuhren in einer Fahrzeugkarawane von der nächstgelegenen Kleinstadt Parral zum Eingangstor der entlegenen Deutschensiedlung. Dort fanden sie das Tor verschlossen  und Polizeieinheiten vor. Koloniebewohner wiesen die Protestierenden darauf hin, dass sie Eintritt bezahlen müssten, um auf das Gelände der Siedlung zu gelangen. Die Colonia Dignidad betreibt heute auf dem Gelände ein Hotel und  ein Restaurant. Die Bundesregierung unterstützt die Unternehmen der Siedlung seit einigen Jahren durch Wirtschaftsberatung und Führungskräfteschulungen. Gleichzeitig werden die Menschenrechtsverletzungen, die dort begangen wurden, vor Ort nicht erwähnt.

 

„Wir sind erneut hierhergekommen, um von der deutschen und der chilenischen Regierung zu fordern, dass eine Gedenkstätte an diesem Ort errichtet wird. Die Touristen, die diesen Ort besuchen, sollen die Namen derjenigen kennen, die hier während der Pinochet-Diktatur ermordet wurden,“  sagte Gabriel Rodriguez, der 1975 in der Colonia Dignidad gefoltert wurde. Er forderte die deutsche und die chilenische Regierung auf, geheim gehaltene Aktenbestände zur Colonia Dignidad endlich freizugeben.

Margarita Maino, die Schwester des 1976 entführten und verschwundenen Juan Maino, sagte: “Wir werden es nicht zulassen, dass Juan vergessen wird, er wurde hierhergebracht und kam nicht mehr heraus, seine Asche wurde in den Fluss gekippt.” Koloniebewohner hatten vor einigen Jahren einem Richter gestanden, mehrere Dutzend Leichen in der Colonia Dignidad verbrannt und die Asche in den Perquilauquén-Fluss geschüttet zu haben. Wegen Beihilfe zum Mord an Juan Maino, Elisabeth Rekas und Antonio Elizondo wurden 2012 die Siedler Gerhard Mücke und Karl van den Berg zu fünf Jahren Haft verurteilt. Ein weiterer Angeklagter entzog sich einer Verurteilung durch Flucht nach Deutschland: Der Sektenarzt Hartmut Hopp lebt seit 2011 straflos in Krefeld. Gegen ihn ermittelt seit zwei Jahren die Staatsanwalt Krefeld, ohne bislang Anklage zu erheben.

Im Anhang einige Fotos der gestrigen Demonstration, die frei verwendet werden können. Auf Anfrage schicken wir Ihnen gerne Bilder in höherer Auflösung zu.

In Berlin werden am morgigen Dienstag, dem Vortag des 40. Jahrestages des chilenischen Militärputsches, Menschenrechtsgruppen eine Demonstration von der chilenischen Botschaft zum Auswärtigen Amt durchführen (siehe beiliegendes PDF). Die Demonstration beginnt um 10.30 an der chilenischen Botschaft, Mohrenstrasse 42 (nähe Gendarmenmarkt).

Für weitere Informationen im Vorfeld oder am Tag der Demonstration stehen zur Verfügung:

Erick Zott: Ehemaliges Mitglied der Bewegung der Revolutionären Linken (MIR). Er wurde im Januar 1975 von der chilenischen Geheimpolizei DINA festgenommen und zur Folter in die Colonia Dignidad gebracht. Nach seiner Freilassung ging er ins Exil nach Österreich, wo er bis heute lebt. 1977 sagte er im Verfahren vor dem Bonner Landgericht (Colonia Dignidad ./. Amnesty International) aus.

Dieter Maier:  Menschenrechtler und Autor verschiedener Bücher zur Colonia Dignidad. 1977 hat er als Mitarbeiter von Amnesty International die Broschüre „Colonia Dignidad, ein Folterlager der chilenischen Geheimpolizei DINA“ mitverfasst.

Jan Stehle: Mitarbeiter des FDCL,  promoviert an der FU Berlin zum Thema „Deutsche Außenpolitik und Menschenrechte – Der Fall Colonia Dignidad 1961-2013“

Mit freundlichen Grüßen,

Jan Stehle

Berichterstattung in der chilenischen Presse:
http://noticias.terra.cl/nacional/familiares-recuerdan-a-dddd-en-ex-colonia-dignidad,3e45bf914bff0410VgnVCM5000009ccceb0aRCRD.html

http://www.cooperativa.cl/noticias/pais/dd-hh/familiares-de-dd-dd-recordaron-a-victimas-en-las-puertas-de-villa-baviera/2013-09-08/133431.html

 

———————————————-

Jan Stehle

Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V.

Geneisenaustr. 2a
10961 Berlin

Tel: +49(30) 6934029
Fax: +49 (30) 6926590

jan.stehle@fdcl.org