Informations- und Diskussionsabend mit Amelinha Teles – Feministin, Widerstandskämpferin, Menschenrechtsaktivistin aus São Paulo

Die Lage in Brasilien ist unübersichtlich. Ex-Präsident Lula da Silva wird auf juristischem Wege die Teilnahme an den Wahlen verwehrt – obwohl er alle Umfragen anführt. Das Militär meldet sich auf der politischen Bühne zurück und ein faschistischer Kandidat – Jair Bolsonaro – erhält immer mehr Zulauf. Spätestens nach dem Mord an der populären schwarzen Abgeordenten Marielle Franco ist die politisch motivierte Gewalt zu einer realen Bedrohung für alle Aktivist_innen geworden.

Was setzen Feministinnen und Linke dem entgegen, welche Perspektiven gibt es? Gemeinsam mit Maria Amélia Teles – Amelinha – werden wir diese Fragen debattieren.

Eintritt wie immer frei!

Sprachen: Portugiesisch mit konsekutiver Verdolmetschung.

Maria Amélia de Almeida Teles
Maria Amélia de Almeida Teles ist seit über 30 Jahren für die Aufklärung der Verbrechen während der Militärdiktatur in Brasilien und als Feministin gegen staatliches Unrecht und gegen Gewalt gegenüber Frauen aktiv. Sie ist Autorin vieler Veröffentlichungen und in der feministischen Menschenrechtsarbeit tätig.
Amelia Teles war politische Gefangene während der Militärdiktatur, sie wurde 1972 als Militante der Partido Comunista do Brasil (PCdoB) zusammen mit ihrem Mann César verhaftet und gefoltert, ebenso wie ihre damals schwangere Schwester Criméia de Almeida. Die fünf- und vierjährigen Kinder des Ehepaars waren monatelang in der Gewalt der Militärs. Maria Amélia Teles engagiert sich für die Erinnerungsarbeit und Aufarbeitung der Verbrechen der brasilianischen Diktatur. Sie ist Mitgründerin der Kommission der Familienangehörigen der Politischen Ermordeten und Verschwundenen, arbeitete Anfang der 1990er Jahre in der Sonderkommission zu den Verschwundenen in der Zeit des Militärregimes (1964-1985). Sie leistete einen wichtigen Beitrag für das Zustandekommen der 2011 eingesetzten Wahrheitskommission, mit der die Aufarbeitung der Vergangenheit zu einem offiziellen Anliegen der Politik wurde und war Beraterin der Wahrheitskommission in São Paulo. Der 2014 veröffentlichte Abschlussbericht der Kommission enthält ein eigenes Kapitel zu geschlechtsspezifischer und sexueller Gewalt gegen Frauen und zu Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen während des Militärregimes sind namentlich genannt, dennoch gilt bis heute das Amnestiegesetz von August 1979 in Brasilien, das eine strafrechtliche Bearbeitung von Taten aus der Zeit der Militärdiktatur verhindert. Einzig die Familie Teles erreichte auf dem Weg einer zivilrechtlichen Feststellungsklage das Recht, den berüchtigten Folterer Oberst Carlos Alberto Brilhante Ustra, den damaligen Chef des Folterzentrums DOI-Codi in São Paulo, Folterer nennen zu dürfen. Das Gericht folgte der Argumentation, dass Folter ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist und daher weder durch Amnestie noch durch Verjährung von juristischer Verfolgung ausgeschlossen ist.

Bereits Ende der 1970er Jahre, als eine offene politische Betätigung wieder möglich wurde, gründete Amelia Teles (bekannt als Amelinha) mit anderen Frauen die „União de Mulheres de São Paulo“. Die União gehört zu den bedeutenden feministischen Gruppen in Brasilien, die bis heute eine basisorientierte Bildungs- und Organisierungsarbeit mit und für Frauen in vielen Stadtteilen São Paulos leistet. Von Bedeutung ist das von Amelinha und der União initiierte Projekt „Promotores Legais Populares“, das die Aufklärung und Stärkung der Menschenrechte von Frauen in den eigenen vier Wänden und in der Gesellschaft beinhaltet. Das erfolgreiche Projekt wird inzwischen in vielen brasilianischen Bundesdistrikten umgesetzt. In ihrem Buch „Eine kurze Geschichte des Feminismus in Brasilien“ hält Amelinha die feministischen Forderungen und Bewegungen wie dem Kampf für Kinderkrippen, gegen sexuelle und häusliche Gewalt, für das Recht auf freie Sexualität, eine ganzheitliche Gesundheitsversorgung und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch fest. In Kursen an der Universität berichtet sie derzeit über die feministischen Kämpfe und gibt die Erfahrungen der Frauenbewegung weiter. Die jüngste Neuauflage ihres Buches ist unter anderem um den Artikel „Femizid“ – den zunehmenden Morden an Frauen in Brasilien – ergänzt. Amelinha fordert, das Thema auf die politische Agenda zu setzen, um geschlechtsspezifisch motivierte Morde zu untersuchen, die Erinnerung an Frauen zu würdigen und wirksame öffentliche Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht auf Leben für Frauen zu sicherzustellen.

Amelinha Teles

Maria Amélia de Almeida Teles

Veranstalter