Kobraimage_miniStellungnahme von Mitgliedern der Kooperation Brasilien e.V.

„Es darf keinen Putsch geben“ – das ist seit dem 18. März die Losung der demokratischen Kräfte in Brasilien, die ein Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen die Präsidentin Dilma Rousseff (PT) verhindern wollen.

GegnerInnen des eingeleiteten Verfahrens, unter ihnen GewerkschafterInnen, LandarbeiterInnen, KünstlerInnen, Intellektuelle, sowie AnhängerInnen des Bündnisses »Frente Brasil Popular«, bezeichnen dieses Verfahren als einen „Kalten Putsch“ (golpe branco), weil zwar nicht eine gewaltsame Machtübernahme durch das Militär bevorsteht, aber die Absetzung einer direkt vom Volk gewählten Präsidentin ohne rechtlich hinreichenden Grund von der rechten Opposition betrieben wird. Ähnliche Vorgänge gab es 2009 in Honduras und 2012 in Paraguay, als ebenfalls gewählte Präsidenten durch ein oppositionelles Bündnis aus Medien, Justiz und Parlament aus dem Amt gejagt wurden.

Auch wenn ein Teil der Medien bewusst einen anderen Eindruck erwecken will – bei dem versuchten Impeachment geht es nicht um eine Verstrickung der Präsidentin in den Korruptionsskandal, der gerade die gesamte politische Landschaft in Brasilien erschüttert. Rechtlich begründet wird das Amtsenthebungsverfahren mit angeblichen Verstößen gegen das Haushaltsrecht. Die Regierung soll sich kurzfristig und ohne Zustimmung des Parlaments Geld bei Staatsbanken geliehen haben. Ein nach dem Haushaltsgesetz nicht erlaubtes Vorgehen, das Vorgängerregierungen ebenfalls anwendeten, das aber nie rechtliche Konsequenzen für diese hatte. Die juristische Begründung des Impeachmentverfahrens ist somit fadenscheinig und vorgeschoben.

Wir sehen daher in dem Impeachment ein politisch motiviertes Verfahren. Nicht eine unabhängige Justiz entscheidet über die Vorwürfe, sondern ein Parlament dessen Mitglieder selbst in großer Zahl in Korruptionsvorwürfe verstrickt sind. Gegen den Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha, der das Verfahren gegen die Präsidentin mit Anwendung von Tricks der parlamentarischen Geschäftsordnung leitet, läuft selbst ein Impeachmentverfahren aufgrund von Korruptionsvorwürfen und Schwarzgeldkonten in der Schweiz.

Für die vielen Initiativen, Institutionen und Einzelpersonen, die sich seit langem in der Solidarität mit Brasilien engagieren, kann es nicht darum gehen, problematische Politik der Regierungen Lula und Rousseff vor Kritik zu bewahren und Verstrickungen wichtiger Leute aus der Arbeiterpartei (PT) in Korruption klein zu reden. Auch für viele von uns in Deutschland war es in den letzten Jahren schmerzhaft anzusehen, wie Reformen verwässert und umstrittene Großprojekte durchgesetzt wurden. Das mindert aber nicht die Anerkennung der historischen Erfolge der Regierungen Lula und Dilma, wie die Ausrottung des Hungers, effiziente Schritte bei der Armutsbekämpfung und minimale Verringerung der sozialen Ungleichheit.

Das politische System befindet sich derzeit aufgrund einer Rezession und den Korruptionsermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft gegen große Firmen und PolitikerInnen aller Parteien in einer tiefen Krise. Erst die Regierung der Arbeiterpartei hat jedoch die institutionellen Rahmenbedingungen geschaffen, wirksamer gegen Korruption vorzugehen. Die konservativen Kräfte missbrauchen diese Krise für ihre politischen Ziele und einen Angriff auf die Demokratie. Bei einem Erfolg des Impeachments würde der Vizepräsident Michel Temer das Amt übernehmen, der sich inzwischen zur konservativen Opposition bekennt, so dass die Gefahr besteht, dass soziale Errungenschaft der letzten Jahre abgebaut würden. Wir sind nicht der Auffassung, dass das aktuelle Absetzungsverfahren die politische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Blockade Brasiliens lösen wird.

Aus diesen Gründen unterstützen wir UnterzeichnerInnen die Forderung der demokratischen Kräfte in Brasilien: „Es darf keinen Putsch geben“!

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ErstunterzeichnerInnen:
KoBra Gruppenmitglieder:
Brasilien Initiative Freiburg
Stiftung Solidarische Welt
Campo Limpo
Aktionskreis Pater Beda für Entwicklungsarbeit
Instituto dos Países Lusófonos
Freundinnen und Freunde der MST
Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL)

KoBra Mitglieder:
Hans-Willi Döpp
Peter Zorn
Fabian Kern
Sigrun Pleissner
Wolfgang Hees
Dr. Dieter Gawora
Thomas Fatheuer
Uta Grunert
Ernst Müller

Weitere Einzelpersonen:
Gilberto Calcagnotto
Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand, Universität Wien
Lutz Taufer
Christoph Leucht, KURINGA Berlin
Paula Ferreira Lima
Iniv.-Prof. Dr. Hanns Wienold, Universität Münster
Lucie Matting
Susanne Schultz, Goethe-Universität Frankfurt
Wilhelm Behrendt
Thilo Firminus Papacek
Nivia Figueredo Amaral, AK: Solidarität mit den brasilianischen Gewerkschaften
Fritz Stahl, AK: Solidarität mit den brasilianischen Gewerkschaften
Angela Hidding, AK: Solidarität mit den brasilianischen Gewerkschaften
Miriam Lang, Universidad Andina Simón Bolívar, Quito
Tina Kleiber
Hans Alfred Trein
Hans-Peter Mayer
Dr. Werner Würtele, Präsident Lateinamerika-Forum Berlin e.V.
Jan Erler, Aktionsgemeinschaft Solidariche Welt
Udo Lohoff, Geschäftsführer des Aktionskreises Pater Beda für Entwicklungsarbeit e.V.
Jan Schikora
Fritz Hofmann, AK: Solidarität mit brasilianischen Gewerkschaften
Pfarrer Dr. Karl Braungart