Besuch aus Kolumbien in Berlin: Vom 02.-04. März 2015 waren Ligia Ines Alzate, Mitglied des Gewerkschaftsverbands CUT, und Enrique Daza, Gründer und Sprecher des Aktionsnetzwerks gegen den Freihandel RECALCA, zu Gast beim FDCL.
19 Monate nach vorläufigem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens (FTA) zwischen der EU, Peru und Kolumbien berichteten unsere Gäste im Rahmen verschiedener Treffen mit Bundestagsabgeordneten und Vertretern des DGB von den ökonomischen Auswirkungen des FTA sowie der weiterhin prekären menschen- und arbeitsrechtlichen Situation in Kolumbien. Viele der im Rahmen der zivilgesellschaftlichen Kampagne gegen die Ratifizierung in Deutschland geäußerten Kritikpunkte und Befürchtungen erweisen sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt als gerechtfertigt. Enrique Daza berichtete, dass die Importe von europäischen Agrarprodukten (v.a. Milchprodukte, Hühnerfleisch, Getreide und Saatgut) stark gestiegen sind und eine ernste Bedrohung für die kolumbianische Landwirtschaft und Ernährungssouveränität darstellen. Da es im gleichen Zeitraum nicht zu einer Diversifizierung der Exportziele und -produkte gekommen ist, ist der kolumbianische Handelsbilanzüberschuss mit der EU von August 2013 bis Dezember 2014 um 20% zurückgegangen. Darüber hinaus haben verstärkte Investitionen und Aktivitäten europäischer Konzerne im kolumbianischen Bergbausektor eine erhöhte Belastung für Umwelt und Bevölkerung zur Folge.
Den Schutz und die Stärkung von Menschen-, Arbeits- und Umweltrechten sollte die im Zuge der Resolution 2628 des europäischen Parlaments geforderte „Roadmap“ sicherstellen. Diese wurde von der kolumbianischen Regierung ausgearbeitet und am 26.10.2012 an das europäische Parlament übermittelt. Ligia Ines Alzate gab uns einen Überblick über die bisherige Untätigkeit der Regierung auf diesem Gebiet: Unter dem Vorwand des globalen Wettbewerbsdrucks setzt diese weiter auf eine Informalisierung und Deregulierung des Arbeitssektors. Die Folgen sind der Anstieg der offiziellen Arbeitslosenzahlen, eine starke Zunahme von Leih- und Zeitarbeit, die Gründung von gelben Gewerkschaften sowie die unveränderte Praxis kolumbianischer Unternehmen, rechtswidrige Kollektivverträge anzuwenden. Die Stärkung der Arbeitsaufsicht hat zwar formell stattgefunden, reicht aber bei weitem nicht aus um diesen Problemen gerecht zu werden. Ein von den kolumbianischen Gewerkschaftsverbänden ausgearbeiteter 13-Punkte-Plan für Arbeits- und Menschenrechte wurde von der Regierung ignoriert. Zurückgegangen, aber weiterhin präsent, ist die Gewalt gegen Gewerkschaftsaktivisten sowie die Verstrickung staatlicher Institutionen in ebendiese und die damit einhergehende Straflosigkeit.
Zum Abschluss des Besuchsprogramms fand ein Fachgespräch mit Vertretern mehrerer deutscher Nichtregierungsorganisationen (NRO) in unserem Büro statt. Vereinbart wurden eine verstärkte Zusammenarbeit beim Monitoring der Einhaltung der Roadmap. Um die europäische und kolumbianische Regierung in Zukunft stärker mit der Missachtung ihrer Verpflichtungen zu konfrontieren, unterstützen wir die Entsendung einer alternativen Monitoring Delegation, bestehend aus deutschen und europäischen Parlamentariern, Gewerkschaftern und Vertretern der Zivilgesellschaft, nach Kolumbien im Frühjahr 2016. Außerdem werden wir Möglichkeiten ausloten, gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in Europa die noch ausstehende Ratifizierung des FTA in Österreich, Belgien und Griechenland zu beeinflussen und wenn möglich zu stoppen.
Weiterführende Links:
- Bericht der GEW zum Treffen mit Enrique und Ligia sowie zur aktuellen Lage in Kolumbien
- Infografiken zur (Nicht-)Einhaltung der Roadmap, erstellt von der Escuela Nacional Sindical (ENS)
- Homepage des alternativen Informationssystems SIA von RECALCA
Die Informationen der ENS sowie RECALCA sind nur auf spanisch verfügbar
- Außerdem wird ein Interview mit Enrique und Ligia in den Lateinamerika Nachrichten (LN) erscheinen, Ausgabe 05/2015