EINFÜHRUNG

Regionale Integration gilt für viele soziale Akteure in der Peripherie als ein Ausweg aus Abhängigkeit und wirtschaftlicher Unterentwicklung. Mit Integrationsprojekten wie SADC im südlichen Afrika, ASEAN in Südostasien oder dem MERCOSUR in Südamerika verknüpfen sich Hoffnungen auf eine eigenständige ökonomische und soziale Entwicklung. Verwiesen wird auf die größeren Binnenmärkte, Skalen- und Spezialisierungseffekte in der Produktion, verminderte Transaktionskosten durch Abbau interner Handelsbarrieren sowie den möglichen Schutz einheimischer Industrien durch Beibehaltung externer Schranken gegenüber der wettbewerbsfähigeren internationalen Konkurrenz. Daneben erhöhe das ökonomische Potenzial regionaler Blöcke die Attraktivität für ausländisches Kapital und damit die Verhandlungsmacht gegenüber Investoren, Staaten und internationalen Organisationen. Der „Mehrwert“ regionaler Integration in der Peripherie realisiere sich daher nicht nur auf ökonomischem, sondern auch auf politischem Gebiet. Manche Strömungen der Linken betrachten die entstehenden Südblöcke gar als Element einer antiimperialistischen Strategie, welches ein Gegengewicht zu den Herrschaftsinteressen der Triaden-Mächte USA, Europa und Japan herstellen könne.

Inwieweit die Hoffnungen auf eigenständigere Entwicklung in der Peripherie durch regionale Integration berechtigt sind, lässt sich empirisch nicht abschließend beurteilen, da die meisten Südblöcke bisher nur einen niedrigen Integrationsgrad aufweisen oder im Integrationsprozess steckengeblieben sind. Werden allerdings die internationale Expansion von Handel und Produktion sowie die tiefgreifenden Veränderungen des Produktionsprozesses in den vergangenen beiden Jahrzehnten berücksichtigt, lassen sich dennoch einige Einsichten über Funktion und Perspektiven regionaler Integrationsprojekte in der Peripherie gewinnen. Eine solche Einschätzung wollen wir am Beispiel des MERCOSUR vornehmen, dem bisher am weitesten fortgeschrittenen Integrationsvorhaben einer Entwicklungsregion, das 1991 von den vier Gründungsmitgliedern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay auf den Weg gebracht wurde. Der Fokus dieses Textes liegt dabei auf dem überaus wichtigen Sektor der Automobilindustrie, die sich bereits mit Beginn der industriellen Massenproduktion in den 1920er Jahren globalisierte. In den beiden dominanten Ländern der Region, Argentinien und Brasilien, trägt der Kraftfahrzeugsektor seit den 1950er Jahren in großem Maße zur industriellen Wertschöpfung und Beschäftigung bei und erwies sich zudem als wichtige Triebkraft der regionalen Integration. Auch im innerregionalen Handel des MERCOSUR entfällt der größte Anteil auf den Im- und Export von Automobilen und Fahrzeugteilen. Aufgrund der hohen Bedeutung der Automobilindustrie für die Gründung des MERCOSUR wollen wir die mit der regionalen Integration verknüpften Erwartungen anhand der Entwicklung dieses Sektors einer kritischen Überprüfung unterziehen.

Inhalt

  • Einführung
  • Die Expansion der Automobilindustrie
  • Durchsetzung regionaler Produktionsnetzwerke
  • Das Produktionsnetzwerk des MERCOSUR
  • Konflikte um das Autoregime
  • Der brasilianische Fiskalkrieg
  • Auf dem Weg zum Weltauto
  • Follow Design und Follow Sourcing
  • Fazit
  • Literatur
  • Anhang