Pressemitteilung

Piñera beruft ehemaligen Unterstützer der Colonia Dignidad zum chilenischen Minister für Justiz und Menschenrechte

Opferverbände bestürzt / Ausgrabungen in der Deutschensiedlung werden fortgesetzt

Quelle: https://twitter.com/HernanLarrainF

Chile president-elect reveals hardline cabinet with ties to Pinochet“, schrieb der Guardian[1] am gestrigen Mittwoch über die von Sebastián Piñera designierten Minister der künftigen chilenischen Regierung. Ab dem 11. März soll Hernán Larraín von der Partei UDI das Ressort für Justiz und Menschenrechte leiten. Die UDI wurde nach der chilenischen Militärdiktatur (1973-90) von ehemaligen Getreuen des Diktators gegründet. Ihre Vertreter_innen beziehen sich oftmals bis heute positiv auf das Pinochet-Regime. Larraín war bis in die zweite Hälfte der neunziger Jahre ein vehementer Unterstützer der Colonia Dignidad. Er führte eine Kampagne gegen jene Teile der chilenischen Politik und Justiz an, die um ein Ende der Verbrechen in der deutschen Sektensiedlung und deren Aufklärung bemüht waren.

Myrna Troncoso, die Sprecherin der Angehörigenverbände der Verschwundenen und Exekutierten der Maule – Region, in der die ehemalige Colonia Dignidad liegt, zeigte sich bestürzt: „Einen ehemaligen Freund der verbrecherischen Colonia-Führung als Minister für Justiz und Menschenrechte zu ernennen, ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer, so Troncoso. „Larraín hat die Täter der Colonia Dignidad noch lange nach dem Ende der Militärdiktatur öffentlich unterstützt und damit geholfen eine Kontinuität der Verbrechen zu ermöglichen. Er war auch Besucher der Siedlung in der Zeit, als dort unsere Angehörigen gefoltert und ermordet wurden. Wir werden prüfen, Larraín von der Justiz zu seinen Kenntnissen über die in der Colonia Dignidad begangenen Verbrechen vernehmen zu lassen.

Alicia Lira, Vorsitzende des Verbandes der während der Diktatur aus politischen Gründen Exekutierten (AFEP) bezeichnete die Ernennung Larraíns als inakzeptabel: „Für uns ist er [Hernán Larraín] einer derjenigen Zivilisten, die die Straflosigkeit in diesen ganzen Jahren mitgestützt hat. Es schockiert uns, denn er gehörte dem persönlichen Freundeskreis von Paul Schäfer an. Er verteidigte ihn. Es kann nicht sein, daß er keine Informationen über die Gefangenen in der Colonia Dignidad hat“, sagte Lira der Zeitung La Tercera[2].

Der zukünftige Innenminister Chiles Andrés Chadwick gilt ebenfalls als Freund der ehemaligen Führungsgruppe der Colonia Dignidad. Er verteidigte gestern seinen Parteikollegen Larraín. Die Unterstützung der Colonia Dignidad durch Larraín sei „eine Angelegenheit die der Vergangenheit angehört, die überwunden ist“. Die Vorwürfe zeugten von Intoleranz[3].

Hernán Larraín stand jahrzehntelang mit der Colonia Dignidad in Kontakt. In den ersten Jahren nach dem Pinochet-Putsch, als in der Colonia Dignidad systematisch Diktaturgegner gefoltert und vermutlich über hundert von ihnen ermordet wurden, besuchte Larraín – gemeinsam mit Pinochets Chefideologen Jaime Guzmán – die Siedlung. Dies ist auf den Karteikarten des Geheimarchivs der Colonia Dignidad festgehalten, das 2005 von der chilenischen Justiz aufgefunden und beschlagnahmt wurde.

Im Jahr 1982 hielten Larraín und der spätere Minister der Pinochet-Diktatur für Auswärtiges und für Justiz, Jaime del Valle, einen Vortrag an der Universität Würzburg. Bei einem Gespräch mit Vertretern der Colonia Dignidad am Rande seines Vortrags bezeichnete Larraín Berichte über Folterungen in der deutschen Siedlung als „Verleumdungen“. Der Schäfer-Vertraute Hans-Jürgen Blank hat an diesem Gespräch teilgenommen und berichtete der Sektenführung anschließend: „LARRAIN war sehr aufgeschlossen und erzählte und, daß er schon dreimal mit JAIME GUZMAN bei uns auf dem Fundo war, einmal in der UP-Zeit, einmal 1974 und einmal 1975. Er schätzt unsere Arbeit sehr hoch, wie er sagte. Er hat auf dem Fundo den Präsidenten [ der Colonia Dignidad Hermann] Schmidt und seine Frau, den Doktor [Paul Schäfer] und einen Albert [Schreiber] kennengelernt, und er kennt auch Hartmut [Hopp].“

Unterdessen setzen die Angehörigen der Verschwundenen ihre Hoffnungen auf neue Ausgrabungen, auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Dignidad. Ermittlungsrichter Mario Carroza lässt derzeit Grabungen an den Orten durchführen, wo Leichen von Diktatur-Gegner_innen nach extra-legalen Hinrichtungen verscharrt worden sein sollen. Carroza besuchte die Ausgrabungen gestern gemeinsam mit Anwält_innen und Opfervertreter_innen[4].

In der Antwort auf eine kleine Anfrage[5] des Abgeordneten Jan Korte und der Fraktion die Linke teilte die Bundesregierung kürzlich mit, die chilenische Regierung habe „im Januar 2018 eine konkrete Bitte um kriminaltechnische und finanzielle Unterstützung der chilenischen Ermittlungen zur weiteren Aufklärung der Geschehnisse auf dem Gelände der Colonia Dignidad an die Bundesregierung gerichtet, die von der Bundesregierung geprüft wird.“ Chilenische Regierungsvertreter hatten der Bundesregierung diese Bitte am 9. Januar 2018 im Rahmen eines Treffens der „Gemischten Kommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit der Colonia Dignidad“ im Auswärtigen Amt vorgetragen. Die deutsche und die chilenische Regierung haben diese Kommission Mitte letzten Jahres eingesetzt, nachdem im Deutschen Bundestag einstimmig ein Antrag zur „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad“[6] verabschiedet worden war. Nach dem Treffen der Gemischten Kommission, der bislang nur Regierungsvertreter_innen angehören, ließ sich Außenminister Sigmar Gabriel von den Vertreter_innen der Gemischten Kommission über deren Arbeit unterrichten[7].

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