Pernambuco galt den konservativen brasilianischen Kräften Anfang der 1960er als Sinnbild der „kommunistischen Gefahr“ im eigenen Land. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges waren u.a. die erstarkenden sozialen Bewegungen und der progressive Gouverneur untragbar. Und so wurde der Bundesstaat während und nach dem Putsch am 1. April 1964 zum Ziel besonders brutaler Repressionen. Politische Opposition zum Regime, Mitglieder der Schüler- und Studentenbewegung sowie der Bauernvereinigungen wurden verfolgt, verhaftet, gefoltert und ermordet.
Staatliche und nichtstaatliche Institutionen, soziale Bewegungen sowie unabhängige Aktivisten und Aktivistinnen setzen sich heute für die Aufarbeitung dieser Menschenrechtsverletzungen ein. Sie rekonstruieren Todesumstände, klären Fälle von Folter und „Verschwindenlassen“ auf und kämpfen für Gedenkstätten. Sie unterstützen die Hinterbliebenen psychologisch und helfen ihnen, Entschädigungen zu erhalten.
1993 wurde, initiiert von der NGO Tortura Nunca Mais, in Recife die brasilienweit erste Erinnerungsstätte für die Opfer der Militärdiktatur eingeweiht. Auch die erste staatliche regionale Wahrheitskommission Brasiliens wurde im Juni 2012 in Pernambuco eingerichtet. Doch obwohl der Bundesstaat national und international Anerkennung für dieses Engagement erhält, steckt die Aufarbeitung hier wie in ganz Brasilien nicht zuletzt aufgrund des weiterhin gültigen Amnestiegesetzes in den Kinderschuhen. Die Folgen der Straflosigkeit für Folterer und Mörder der Militärdiktatur sind bis in die Gegenwart spürbar und spiegeln sich in den aktuellen Menschenrechtsproblemen, wie der exzessiven Polizeigewalt, wider – auch in Pernambuco.
An diesem Abend diskutieren Paulo Moraes und Sara Fremberg, moderiert von Annelen Micus, den Stand der Aufarbeitung der Militärdiktatur in Pernambuco und aktuelle Herausforderungen der Erinnerungsarbeit. Paulo Moraes, Leiter des Sekretariats für Menschenrechte in Pernambuco, erläutert die staatlichen Initiativen zur Aufarbeitung jener Zeit. Sara Fremberg berichtet über die Arbeit zivilgesellschaftlicher Institutionen. Von April bis Juli 2014 recherchierte sie in Recife zur Aufarbeitung der Militärdiktatur. Ihren Blog finden Sie unter www.memoriaeverdade.com.
Mit:
- Paulo Moraes (Exekutivsekretär, Sekretariat für Menschenrechte Pernambuco, Brasilien)
- Sara Fremberg (Historikerin und Bloggerin, Initiative Nunca Mais – Nie Wieder, Deutschland)
Moderation: Annelen Micus
Eine Kooperation der Heinrich-Böll-Stiftung mit der Initiative Nunca Mais – Nie Wieder