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In Deutschland leben 83,5 Millionen Menschen. Anderthalbmal so viel – 122,1 Millionen Menschen – waren Stand April 2025 weltweit gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen.
Flucht und Migration sind historische Konstanten. In Lateinamerika und weltweit. Menschen machen sich aus den unterschiedlichsten Gründen auf den Weg: Sie fliehen vor Krieg und Gewalt, sie migrieren in andere Regionen für bessere Lebensperspektiven, zunehmend verlassen Menschen ihre Heimat auch aufgrund der Verheerungen der Klimakrise. Nach wie vor migrieren die meisten Menschen innerhalb ihrer Herkunftsländer in Regionen oder Städte, die als sicherer gelten, auch wenn es bei Kriegen wie in Gaza längst keine sicheren Orte mehr gibt. Dennoch schränken Regierungen weltweit das Recht auf Asyl zunehmend ein, Grenzen werden militarisiert und Mauern gebaut, um Menschen davon abzuhalten, ihr Menschenrecht auf Asyl einzufordern. In deutschen Medien ist zunehmend selbstverständlich die Rede von „illegaler Migration“, die unterbunden werden soll. Welches Konzept von „Illegalität“ liegt dieser Aussage zugrunde, wenn es praktisch keine legalen Wege mehr zur Einreise gibt?
Heute ist es „normal“ geworden, dass Menschen auf der Flucht enthumanisiert werden, dass ihr Leid ausgeblendet und in Kauf genommen wird, Völkerrecht zu brechen. Die Abschottung von Ländern und Militarisierung der Grenzen führen dazu, dass Menschen auf der Flucht immer gefährlichere Wege auf sich nehmen müssen und dabei häufig in Kontakt mit kriminellen Akteuren kommen. Und die nutzten die Verletzbarkeit der Migrant*innen skrupellos aus. Einige der krassesten Fälle sind in Mexiko geschehen, wo Menschen auf der Flucht, die mit der Organisierten Kriminalität nicht kooperieren wollten, massakriert und verschwunden gelassen wurden.
Gleichzeitig wachsen in den Aufnahmeländern Abwehrhaltung und Unverständnis für das Risiko, das die Menschen auf der Flucht auf sich nehmen – dabei sind es ja die Regierungen des globalen Nordens, die Flucht und Migration durch das Schließen der Grenzen so gefährlich und risikoreich machen. Allerorten schwindet die Solidarität. Rassismus, Chauvinismus und Ablehnung gegenüber Armen und Schutzbedürftigen sind der neue Mainstream.
Die Regierung Trump treibt nun das menschenverachtende Migrationsregime weiter voran. Menschen werden medienwirksam festgenommen und willkürlich abgeschoben. Es widerspricht geltendem Recht? Egal! Routiniert werden solche Rechtsbrüche von Deutschland und der EU kritisiert.Dabei sind auch EU-Außengrenzen Orte,die sich schon lange zu rechtsfreien Zonen für Migrant*innen und Geflüchtete entwickelt haben. Pushbacks gehören zur täglichen Praxis, die polnisch-belarussische Grenze ist seit Jahren abgeriegelt und unzugänglich für Menschenrechtsaktivist*innen, sodass nur erahnt werden kann, welcher Brutalität die Menschen dort ausgesetzt sind. Seit Mai 2025 dürfen auf Weisung des Bundesinnenministeriums Asylsuchende an den deutschen Grenzen abgewiesen werden. Auch das ist rechtswidrig.
Die Einschränkung und Kriminalisierung des Rechts auf Bewegungsfreiheit und des Rechts auf Asyl zeigen einen weltweiten Trend: Immer offener werden Menschenrechte und internationales Völkerrecht als Ganzes infrage gestellt. Gegen die Aushöhlung des Rechts auf Asyl und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit tut Widerstand Not, das Schleifen dieser Rechte ist Teil des globalen autoritären Trends. Und eins ist klar: Solange sich die Bedingungen in den Herkunftsländern nicht verbessern (Bedingungen, für die der Globale Norden mindestens Mitverantwortung trägt), werden sich Menschen auf den Weg machen.
Die beobachteten Dynamiken hängen dabei nicht nur mit lokalen, sondern auch internationalen Veränderungen zusammen: mit der aktuellen Politik in den USA, die direkte und gravierende Auswirkungen auf die Menschen hat, die zu „eternos migrantes“, ewigen Migrant*innen, werden, abgeschoben, hin- und hergetrieben zwischen Ländern und Regionen. Sie hängen aber auch mit dem europäischen Migrationsregime zusammen, das einerseits durch seine Abschottung dazu führt, dass zunehmend Menschen aus Afrika und Asien in Lateinamerika „on the move“ sind, andererseits aber auch zu einer Zunahme von Flucht und Migration von Lateinamerikaner*innen nach Deutschland beiträgt, da die Einreisebestimmungen für Menschen aus dieser Weltregion weniger restriktiv sind.
Im Dossier werden diese Verschiebungen analysiert, gleichzeitig kommen Betroffene zu Wort, die deutlich machen, welche konkreten Auswirkungen die globalen Veränderungen auf Menschen haben. Immer höhere Grenzmauern, militarisiertere Grenzen, tödlichere Migrationsrouten, durch Politik und Medien enthumanisierte Geflüchtete und Migrant*innen, rassistische Gesetzgebung: In diesem dystopischen Panorama gibt es nur wenig Hoffnung. Trotz allem sucht das Dossier nach Lichtblicken. Gibt es noch Länder, deren Migrationspolitik weniger menschenverachtend ist? Wie organisieren sich Betroffene? Diese Ansätze sind – trotz der scheinbaren Ausweglosigkeit – wichtig, denn sie zeigen uns, dass es auch anders sein könnte. Und sie können Anknüpfungspunkte geben, um gegen den globalen Mainstream anzukämpfen.
Inhalt
4 … Editorial
6 … Mobilität und Kontrolle im Zeitalter Trumps Lateinamerikas Migrationskorridore im Umbruch – von Soledad Álvarez Velasco
9 … Zurück, aber wohin? Das Phänomen der umgekehrten Migration nach Südamerika – von Nikolas Grimm
12 … Wer geht – wer bleibt? Migration und soziale Ungerechtigkeit in der Klimakrise – von Jorge Enrique Forero
14 … In der Gewaltfalle. Die Situation venezolanischer Migrant*innen in Kolumbien – von Andrés Llanos
16 … Nichts ist wie vor einem Jahr. Trumps Politik verändert Migrationsbewegungen in Mexiko – von Gerold Schmidt
18 … Die Straflosigkeit hinterlässt noch immer Todesspuren Mexiko: Migrant*innen auf der Durchreise und gewaltsames Verschwindenlassen – von Carolina Garay Doig
20 … Sicherheitsdiskurse und Grenzverschiebungen Die Migrationspolitik in Costa Rica wird repressiver – von Adam Álvarez Calderón
22 … Die USA von Südamerika. In Chile hat eine xenophobe Migrationsdebatte Einzug gehalten – von Malte Seiwerth
24 … Schwangere Körper im Fadenkreuz. Kriminalisierung haitianischer Frauen in der Dominikanischen Republik – von Micely Díaz Espaillat
26 … Im Stich gelassen. Zentralamerika: Eine Auswanderungsregion kehrt Migrant*innen den Rücken zu – von Lya Cuéllar
28 … Gesellschaft mit beschränkter Offenheit. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Uruguays selektives Migrationsregime – von Wolfgang Ecker
30 … Europa und die Krise seiner Prinzipien. Was die verschärfte Asylpolitik für Schutzsuchende aus Lateinamerika bedeutet – von Catherine Sophia Castellanos & Diana Sepúlveda
33 … Kein Ort für Ausländer? Reportage über das Leben venezolanischer Asylsuchender in Sachsen – von Paul Welch Guerra
36 … Nie wieder leise! Die Gruppe Respect Berlin unterstützt Frauen ohne Papiere – von Steffi Wassermann
38 … Reißt die Grenzen nieder. Engagiertes Plädoyer für eine humanere Migrationspolitik – von Steffi Wassermann
Titelbild: Grenzzaun der USA zu Mexiko bei San Diego/Tijuana Foto: Tomás Castelazo CC BY-SA 4 www.tomascastelazo.com



