Die indigenen Territorien haben sich als eine wirksame Barriere gegen Entwaldung erwiesen und sind daher in den Fokus des CO2 Handels geraten. Foto: Thaís Borges/2019

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1. Wald- und Klimaschutz: Szenen einer problematischen Ehe

Wald- und Klimapolitik sind auf vielfältige Weise miteinander verknüpft. Unbestritten ist, dass Entwaldung ein wichtiger Faktor der globalen CO2 Emissionen ist: etwa 10% der globalen Emissionen soll durch Entwaldung verursacht sein. Während die Fläche der Wälder in Europa, Nordamerika und Sibirien – trotz zahlreicher Probleme – in den letzten Jahren weitgehend stabil geblieben ist, bleibt der Verlust der tropischen Regenwälder dramatisch. Trotz eines leichten Rückgangs der Entwaldung betrug sie nach Angaben des WRI auch im Jahre 2023 noch 37 000 km², das entspricht der Fläche der Schweiz.
Hohe Entwaldungsraten bedeuten auch hohe CO2 Emissionen. Also ist es durchaus naheliegend, Wald-und Klimaschutz zu verbinden und so eine Win-Win Situation zu schaffen. Bahnbrechend für diese Verbindung war der Stern Report von 2006, der dies programmatisch formulierte als die „single largest opportunity for cost-effective and immediate reductions of carbon emissions”. Auf der Klimakonferenz von Bali 2007 kam es dann zur Geburt des bis heute existierenden und umstrittenen REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) Mechanismus.
REDD ist als Finanzierungsmechanismus konzipiert worden, das ist wichtig, in Erinnerung zu halten. Unzweifelhaft ist die Grundidee attraktiv. Die Reduzierung von Entwaldung sei „quick, easy and cheap“ – so das immer wieder vorgetragene Mantra – und ein Gewinn sowohl für das Klima und wie auch für den tropischen Regenwald, seine Bewohner*innen und die Biodiversität. Und Klimapolitik soll dies finanzieren. Denn bekanntlich sind die öffentlichen Kassen leer und so soll REDD es ermöglichen, Gelder des privaten Sektors für den Waldschutz zu mobilisieren. Aber wie soll das möglich sein? Dadurch dass die Reduktion von Entwaldung in handelbare CO2 Zertifikate transformiert wird. Und der Anreiz, diese Zertifikate zu kaufen, besteht in der Möglichkeit, damit Emissionen zu kompensieren. Bekannt ist dies beispielsweise durch die Möglichkeit, die CO2 Emissionen bei Flugreisen durch den Kauf von CO2 Zertifikaten auszugleichen. Mit der Etablierung von REDD ist Kompensation zu einem wichtigen Bestandteil der Klimapolitik geworden.

Kompensation – oder die große Klimaillusion
Aber die Geschichte der Kompensation in der Klimapolitik begann schon vor REDD. Das 1997 beschlossene Kyoto Protokoll etablierte unter dem Namen „flexibele Mechanismen“ die Kompensationslogik. „Demnach konnten Industrieländer ihren Pflichten zur Emissionsminderung auch nachkommen, indem sie entsprechende Projekte in Entwicklungsländern finanzierten. Die dort nachweislich eingesparten Emissionen konnten sie dann ihrem eigenen Emissionsbudget gutschreiben lassen“.
Grundlegende Annahme ist, dass es völlig egal ist, wo CO2 Reduktionen erreicht werden. Doch Kompensation reduziert faktisch keine Emissionen, sondern soll vielmehr Emissionen nur ausgleichen. Die für diesen Ausgleich zu veranschlagenden Reduktionen werden da realisiert, wo sie am kostengünstigsten sind – zumeist in den Ländern des Globalen Südens. Der CDM (Clean Development Mechanism) hat sich nicht als Klimainstrument bewährt, darin sind sich inzwischen fast alle Bewertungen einig. „Fehlende Objektivität, Schlupflöcher sowie mangelnde Transparenz“ gelten weitgehend als fundamentale Fehler des CDM Mechanismus. Dennoch war CDM fundamental für die Etablierung von Methodologien und eines freiwilligen CO2 Marktes auf der Basis von Kompensation.
Die Idee der Kompensation wurde dann durch REDD und den Artikel 6 des Pariser Klima-Abkommens von 2015 zu einem Grundbestandteil der globalen Klimapolitik ausgebaut. Während REDD bereits seit vielen Jahren als Instrument der internationalen Klimapolitik im Einsatz ist, steckt die Umsetzung eines globalen Emissionshandels über Artikel 6 hingegen noch in den Anfängen (siehe dazu Kapitel 4). Gut etabliert aber sind die Auseinandersetzungen um das Prinzip der Kompensation. Zentraler Kritikpunkt aus klimapolitischer Sicht ist und bleibt, dass Kompensation von einer konsequenten Klimapolitik ablenkt und Alternativen zu Reduktion von CO2 im globalen Norden eröffnet. Sie fördert damit die Illusion, dass durch Kompensation ein „Weiter so“ möglich ist. Wir können weiter mit ruhigen Gewissen fliegen – wir kompensieren ja. Dies ist nicht nur für die reale Klimapolitik relevant, sondern auch für das mindset der Akteure. Politiker*innen wie Bürger*innen wird suggeriert, dass es immer auch Alternativen gibt zur Reduktion von CO2 Emissionen. Dies ist ums so bedenklicher angesichts der Tatsache, dass „wir“ in Deutschland und Europa nur eine sehr inkonsequente Klimapolitik betreiben. Kein Tempolimit, keine massive Besteuerung von SUVs, kein Verbot von Kurzstreckenflügen, keine Besteuerung von Privatjets – um nur einige Beispiele zu nennen. Es geht also im Augenblick bei dem Einsatz von Kompensation nicht um die allerletzten, schwer zu vermeidenden Emissionen, sondern um den Ausgleich für eine Klimapolitik, die droht, ihr Ziel einer drastischen Reduktion der Treibhausgasemissionen krachend zu verfehlen. Daher kritisieren auch viele der großen Umweltverbände (Greenpeace; BUND; DUH) den Einsatz von Kompensationen in der aktuellen Klimapolitik.
Aber kann Kompensation dennoch ein Mittel für den Waldschutz sein? Während CDM Projekte Aufforstung einschlossen, blieben die tropischen Regenwälder und die Frage der Entwaldung außen vor. Mit REDD kam ein neuer methodologischer Ansatz ins Spiel – das Konzept der vermiedenen Entwaldung. Denn genau das bedeutet die Reduzierung von Entwaldung. Die Klimawirkung der vermiedenen Entwaldung beruht auf der Tatsache, dass tropische Wälder gigantische CO2 Speicher sind. REDD basiert also nicht auf dem Entzug (Sequestrierung) von CO2 aus der Atmosphäre, der im Waldbereich bspw. durch großflächige Aufforstungen erreicht werden soll. Damit werden auch alle Diskussionen umgangen, inwieweit Wälder überhaupt noch eine CO2 Senke sind. Die Speicherfunktion von Wäldern ist unbestritten und relativ gut messbar. Und die enormen CO2 Mengen in den erhaltenen Wäldern könnten einen CO2 Handel etablieren, der dann erhebliche Mittel für den Erhalt der Tropenwälder generieren würde. So war die Geburt von REDD mit großen Erwartungen auch und gerade hinsichtlich des Finanzflusses verbunden.

Weitere Kapitel dieses Beitrags:

2. Redd+ in Amazonien: eine Geschichte von Skandalen
3. Neue Perspektiven für REDD und Co?
4. Das Pariser Abkommen und der CO2 Handel: Artikel 6
Anhang: „Wir wurden nie konsultiert“ / Interview mit Alessandra Munduruku

Download „Kann der CO2 Handel Amazonien retten?“ hier!

 

Herausgeber: FDCL im Rahmen der Initiative „Berlin aktiv im Klima-Bündnis

Mit finanzieller Unterstützung der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit. Für die Inhalte der Aktivitäten ist allein die bezuschusste Institution verantwortlich. Die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe wider.