Dossier

Bergbau-Boom in Lateinamerika

Problemlagen, Konflikte und Regulierung

Rohstoffe sind das Fundament einer ressourcenintensiven Weltwirtschaft, die einem ökonomischen Wachstumszwangs folgt und dessen soziale und ökologische Kosten immer weiter steigen. Mineralische Rohstoffe wie Eisenerz, Kupfer und Gold, energetische Rohstoffe wie Erdöl und Kohle sowie Agrarrohstoffe wie Weizen, Kaffee und Palmöl bestimmen 70 Prozent des Welthandels 1 – ohne Rohstoffe würde das derzeitige globale Wirtschaftssystem nicht funktionieren. Und unser ökologisch nicht nachhaltiger, konsumorientierter und energieintensiver Alltag auch nicht.
In den letzten 70 Jahren wurden mehr Rohstoffe verbraucht als in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor. Vor allem in den letzten drei Jahrzehnten gibt es eine regelrechte Jagd auf die verbliebenen Förderstätten von Öl, Kohle und Metallen. Die leicht zu erschließenden natürlichen Depots mit großen Förderkapazitäten sind nahezu erschöpft. Neue Rohstoffquellen sind nur durch einen steigenden Energieaufwand und mit irreversiblen Umweltfolgen zu erschließen. Um neue Rohstoffe zu fördern, müssen immer mehr Rohstoffe eingesetzt werden – ein verhängnisvoller Kreislauf. Das zeigt sich insbesondere durch die Zunahme unkonventioneller Ölförderungen in der Tiefsee, von Teersanden oder beim Fracking. Ebenso verschiebt sich die Bergbaugrenze immer weiter in sensible Ökozonen wie Gletschergebiete oder den Meeresboden. Ein Grund dafür ist die Preisexplosion von mineralischen Rohstoffen wie Kupfer, Aluminium und Gold seit Beginn der 2000er Jahre, die seitdem, trotz einiger Schwankungen, auf einem hohen Niveau verharren.
Die Rohstoffe der Erde sind ungleich verteilt. 60 Prozent aller Mineralien und Erze werden in den Ländern des globalen Südens gewonnen. Von den weltweit zehn wichtigsten Exportländern mineralischer Rohstoffe liegt die Hälfte in Lateinamerika,2 ein Drittel der globalen Bergbauaktivitäten findet dort statt.3 Im Bergbaubereich ist Lateinamerika die derzeit wichtigste Investitionsregion.4 Auf der Nachfrageseite importiert die Europäische Union weltweit die meisten Rohstoffe, wobei Deutschland zu den größten Verbrauchern von Aluminium, Kupfer, Kobalt, Nickel, Zinn und Zink gehört.
Als wichtige Ressourcenexportregion rückt Lateinamerika daher zunehmend in den Fokus europäischer und deutscher Wirtschafts- und Rohstoffpolitik. Mit Freihandelsabkommen und bilateralen Rohstoffpartnerschaften soll die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen für die deutsche und europäische Industrie gesichert werden. Was sich im ersten Moment wie ein Winwin- Geschäft anhört, birgt auf dem zweiten Blick viele Probleme. Denn vom Bergbauboom in den lateinamerikanischen Ländern profitieren nur wenige – für den Großteil der Menschen ist er eher Fluch als Segen. Der Bergbau verursacht in den Abbauländern zahlreiche wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme. Die ressourcenreichen Länder können die Gewinne aus der Rohstoffförderung nur selten in gesamtgesellschaftlichen Wohlstand umwandeln. Anstatt den Abbauregionen Reichtum zu bringen, hinterlässt er Armut. Deshalb wehrt sich die Bevölkerung zunehmend gegen das Wirtschaftsmodell der Ressourcenausbeutung – in den lateinamerikanischen Staaten ist der Bergbau eine der Hauptursachen für soziale Konflikte.
Mit der vorliegenden Broschüre möchte das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) einen orientierenden Überblick zu den Ursachen und Problemlagen des aktuellen Bergbaubooms in den lateinamerikanischen Ländern geben, aber auch Konzepte und Initiativen für eine nachhaltige Regulierung des Bergbausektors und eine alternative Rohstoffpolitik in den Blick nehmen.

Inhalt

1 Einleitung
2 Die zwei Gesichter des Extraktivismus in Lateinamerika
2.1 Der Extraktivismus als Entwicklungsmodell
2.2 Der neoliberale Extraktivismus
2.3 Vom „Washington Konsens“ zum „Rohstoff Konsens“
3 Europas Rohstoffhunger
3.1 Die Rohstoffstrategie der Europäischen Union (EU)
3.2 Deutschlands Platz an der Sonne
3.3 Deutsche Banken baggern mit
4 Mining-States: Wie der Bergbau die Staaten Lateinamerikas bestimmt
4.1 Der Bergbau bestimmt
4.2 Plündern und weg: Enklavenökonomie Bergbau
4.3 Informeller Bergbau – El Dorado der Abgehängten
5 Die sozial-ökologischen Konflikte um den Bergbau
5.1 Bergbau und Umweltprobleme
5.2 Kriminalisierung der Bergbaukritik
5.3 Konflikte um Demokratie und Teilhabe
6 Rohstoffpolitische Regulierungsinitiativen, zivilgesellschaftliche Kritik und Wege zu einer alternativen Rohstoffpolitik
6.1 Regulierungsinitiativen
6.2 Die Bergbau-Debatte in Lateinamerika
7 Schlussfolgerung
8 Literatur

Impressum

Autor: David Vollrath
Titelbild: Offener Goldtagebau Yanacocha in Cajamarca/Peru. (David Vollrath)
Layout: studio114.de | Michael Chudoba

Gefördert von Engagement Global im Auftrag des BMZ, der Stiftung Umverteilen und dem Solidaritätsfond der
Hans-Böckler-Stiftung.
Mit freundlicher Unterstützung der LEZ Berlin.
Für den Inhalt dieser Publikation ist allein das FDCL e.V. verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt von
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