Zusammenfassung

Honduras – 17. bis 21 März 2016

Hintergrund und Ziel der Mission
Die gemeinsame Internationale Mission „Gerechtigkeit für Berta Cáceres Flores“ wurde von 15 Personen – Parlamentarier*innen, Jurist*innen und Repräsentant*innen von Menschenrechts-, Gewerkschafts- und zivilgesellschaftlichen Organisationen und Netzwerken – begleitet. Zwischen dem 17. und 21. März 2016 wurden eine Vielzahl an Aktivitäten verwirklicht. Der Bitte des Zivilen Rats der Volksorganisationen von Honduras (COPINH), dem Nationalen Netzwerk der Menschenrechtsverteidiger*innen sowie einem breiten internationalen Solidaritätsnetzwerk für die Unterstützung des honduranischen Volkes folgend, konzentrierten sich die Aktivitäten der Mission darauf, der Forderung Nachdruck zu verleihen, die Aufklärung des brutalen Mordes der indigenen Lenca-Führerin Berta Cáceres Flores voranzutreiben, die in der Nacht vom 2. März 2016 getötet wurde. Des weiteren ging es darum, Freiheit für den mexikanischen Aktivisten Gustavo Castro zu fordern, welcher während des Mordes an Berta verletzt wurde und von den honduranischen Behörden ungerechtfertigt festgehalten wurde.

Ziel der Mission war es ebenfalls, Hintergründe des Mordes an Berta Cáceres und Neslon Noé García zu überprüfen, einem weiteren Lenca-Führer von COPINH, der 12 Tage nach dem Mord an Berta erschossen wurde. Gleichfalls sollten die Forderungen nach einer Beendigung der Konzessionen von Projekten unterstützt werden, wie die des Agua Zarca-Projekts, ein Wasserkraftwerksprojekt, dessen Bau ohne vorherige Konsultation erfolgt. Gegen den Bau auf dem Lenca-Territorium hatte Berta gekämpft und COPINH kämpft weiterhin dagegen. Weitere Forderungen waren die Entmilitarisierung der indigenen Territorien und die Anwendung des Gesetzes zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen.

Schlussfolgerungen…
Am 21. März, am Ende des Aufenthaltes im Land, präsentierte die Internationale Mission in einer Pressekonferenz ihre wichtigsten Schlussfolgerungen und Empfehlungen aus den Treffen mit Funktionären der Exekutive und Judikative, des honduranischen Parlaments, Botschaften, COPINH und anderen Volks- und Menschenrechtsorganisationen, der Familie von Berta Cáceres Flores, Gustavo und seinen Anwält*innen.

Unter anderem wies die Mission auf die eklatante Schwäche des honduranischen Rechtsstaats hin, die völlige Abwesenheit eines Mindestmaßes an Respekt vor demokratischen Prinzipien, fundamentale Freiheiten und Menschenrechte. Es fehlt jeglicher politischer Wille, die herrschende Straflosigkeit zu beenden, die im Zusammenhang damit zu sehen ist, dass das Land zu dem weltweit gefährlichsten für Verteidiger*innen von Umwelt, Land, Territorium und Menschenrechte geworden ist. Die Mission stellte ein Scheitern des Systems des Menschenrechtsschutzes durch den honduranischen Staates fest, sowie eine institutionelle Praxis, die die Rechte von Opfern von Menschenrechtsverletzungen ignoriert. Insbesondere wurde daraus gefolgert, dass das Leben von Gustavo solange gefährdet bleibt, solange er sich in Honduras befindet und dass es keine juristischen Gründe gibt, die seine Freiheitsberaubung rechtfertigen würden.

In Bezug auf die Entwicklung von Wasserkraft- Bergbau-, Forst- und Agroindustrieprojekten, einschließlich des Agua Zarca-Projekts, konstatierte die Mission eine systematische und eklatante Verletzung von regionalen und internationalen Menschenrechten, einschließlich der Rechte indigener Völker. Sie verwies zudem auf die Verschärfung der Kriminalisierung von COPINH, auf belastende Hinweise für enge Verbindungen der Staatsmacht mit Unternehmen wie DESA, sowie Finanzinstitutionen – nationale und transnationale – die diese Projekte unterstützen, welche im Widerspruch zu der Lebensform und den Interessen der betroffenen Gemeinden und Territorien stehen; eine Situation, die sich mit dem Putsch 2009 verstärkt hat. Es wurde eine fehlende Einhaltung der Sorgfaltspflichten seitens der Unternehmen und Finanzinstitutionen festgestellt – dies auch in Bezug auf die US amerikanischen Hilfsgelder für den honduranischen Staat, der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedsländer, öffentlichen Finanzinstitutionen, wie der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank und die Zentralamerikanische Bank für Wirtschaftliche Integration (BCIE). Ebenfalls wurde auf eine zunehmende Militarisierung hingewiesen, die weit davon entfernt ist, zur öffentlichen Sicherheit beizutragen und viel mehr im Zusammenhang mit einer steigenden Unsicherheit respektive Übergriffen auf die Zivilbevölkerung gesehen wird.

…und Empfehlungen
Die Mission formulierte 25 Empfehlungen für den honduranischen Staat und andere Akteure, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind, wie die EU, die USA, das Unternehmen DESA und ihre Finanziers FMO, FINNFUND und die BCIE. Unter anderem unterstützte die Mission die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung, unter Mitwirkung von internationalen Expert*innen, wie sie von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) umgesetzt werden könnte – Voraussetzung wäre das Einvernehmen mit der honduranischen Regierung. Dies kann dabei helfen, sowohl die materiellen und intellektuellen Täter des Mordes an Berta zu ermitteln, was auch die staatlichen und/oder privatwirtschaftlichen Akteure einbezieht, die für die Bedrohungen, Belästigungen und Morde an an den Mitgliedern von COPINH verantwortlich sind. Die Mission rief die honduranische und mexikanische Regierung dazu auf, die sofortige und sichere Ausreise von Gustavo Castro zu garantieren, sowie seine physische und psychische Unversehrtheit als auch den Respekt seinem Leben gegenüber und seine Menschenrechte zu gewährleisten.

Generell forderte die Mission ein Ende der durch den Putsch 2009 begünstigten Straflosigkeit, Einschränkungen der Demokratie, Intransparenz, Korruption und Vetternwirtschaft. Nur so ist eine wirksame Menschenrechts-Prävention, Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen so wie eine Verfolgung und Bestrafung der dafür Verantwortlichen möglich. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen müssen eingeleitete und ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um so die Umsetzung des „Gesetzes für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, Journalisten, Sozialkommunikatoren und Akteure für Gerechtigkeit”(1) überhaupt erst zu ermöglichen. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die Kriminalisierung der zivilgesellschaftlichen Organisationen zu beenden und die bestehenden und zukünftigen sozialökologischen Konflikte auf friedliche und demokratische Weise zu lösen.

Die Internationale Mission forderte einen sofortigen Rückzug aus dem Agua Zarca-Projekt und die Rücknahme aller anderen Konzessionen, die auf Lenca-Territorium vergeben und geplant wurden, ohne die notwendige vorherige, freie und informierte Zustimmung der betroffenen Gemeinden eingeholt zu haben. Dabei geht es um Projekte im Bereich Wasserkraft, Mega-Bergbau, Agroindustrie und Forstwirtschaft, die im Widerspruch stehen mit ökologischer Nachhaltigkeit und über keine soziale Akzeptanz verfügen, insbesonere wenn sie sich auf indigenen Territorien befinden. Auch wurde die Entmilitarisierung der Lenca-Territorien gefordert, die wirksame Einhaltung der ILO Konvention 169 und die Anerkennung von COPINH als Organisation, die verantwortlich ist für die eigene kommunitäre Autonomie.

Die zentralamerikanische BCIE, die holländische Entwicklungsbank (FMO) und der finnische FINNFUND wurden ermahnt, ihre finanzielle Beteiligung am Agua Zarca-Projekt endgültig zu beenden und alle Staaten und multilateralen Finanzinstitutionen aufgefordert, bei Projekten mit ähnlichen Konfliktlagen Völkerrechtsstandards und Sorgfaltspflichten einzuhalten. Damit einher geht die Verpflichtung, die sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Projekte zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie nicht zu Verletzungen der Menschenrechte, der Bevölkerung oder der Natur beitragen. Es wurde empfohlen, die Beziehung der FMO mit der Finanzgruppe FICOHSA und ihre Beteiligung an dem Agua Zarca-Projekt zu überprüfen, wie auch die zu der Grupo Atala, welche enge Verbindungen zum Putsch von 2009 hat.

Die Mission rief ebenfalls den Europäischen Rat dazu auf, das Assoziierungsabkommen mit Honduras auszusetzen, solange die Einhaltung der Menschenrechte nicht gewährleistet ist und erbat von Spanien und der EU die Überprüfung des Finanzierungsprogramms EuroJustice und dessen temporäre Aussetzung, bis die Verantwortlichen im Fall des Mordes an Berta ermittelt werden. Die US Regierung wurde gebeten, aufzuklären, welche Zusammenhänge zwischen staatlichen Hilfsprogrammen, u.a. im Kontext des Agua Zarca-Projekts, sowie den Bedrohungen und Morden an Personen wie Berta bestehen, die sich für die Verteidigung ihrer Territorien und Rechte engagieren. Ebenfalls sollen die USA ihre Beteiligung an den Untersuchungen des Mordes an Berta Cáceres offenlegen und die „Allianz für den Wohlstand“ und ähnliche Projekte suspendieren, solange die Einhaltung der Menschenrechte in Honduras nicht garantiert werden kann.

Als Schlussfolgerung wurde vom Büro des Hochkommissars der Vereinten Nationen die Einsetzung der verschiedenen Sonderberichterstatter und relevanten Arbeitsgruppen gefordert, mit dem Ziel, gemeinsam die Menschenrechtssituation in Honduras zu überprüfen, die durch eine Vielzahl extraktiver Projekte bedroht ist. Mit ihren Empfehlungen können sie dazu beitragen, dass der honduranische Staat, die Unternehmen, Finanzinstitutionen und andere Länder ihre Verpflichtungen einhalten, in Bezug auf die Umweltrechte sowie die Rechte der indigenen Völker.

Um die Arbeit der Internationalen Mission „Gerechtigkeit für Berta Cáceres Flores“ weiterzuführen, werden die alle Menschen, zivilgesellschaftlichen Bewegungen und Organisationen weltweit dazu aufgerufen, die Solidaritätsaktionen für die Mitglieder von COPINH zu verstärken, für die Familie von Berta, Gustavo und für alle honduranischen Organisationen und Personen, die Menschen- und Umweltrechte verteidigen. Einen aufrichtigen Dank für die Inspiration, Zeugnisse und Unterstützung von all diesen Personen, die während des Aufenthalts den Mitgliedern der Internationalen Mission zuteil wurden. Insbesondere schließen wir uns der Bitte von Bertas Familie und den Compañer@s von COPINH an, zukünftig eine vermehrte Unterstützung zu erfahren – u.a. durch den Aufruf zu einer breiten Beteiligung an dem Internationalen Solidaritätstreffen, das vom 13.-15. April in Tegucigalpa und La Esperanza/ Río Gualcarque stattfindet.

Nachtrag

Nach der Fertigstellung des Abschlussberichts der Internationalen Mission „Gerechtigkeit für Berta Cáceres Flores“ wurden zwei wichtige Ergebnisse in Bezug auf die formulierten Empfehlungen und Forderungen erzielt. Erstens erklärte die honduranische Staatsanwaltschaft am 31. März, dass sie die Festsetzung von Gustavo Castro aufheben und es ihm endgültig gestattet würde, das Land zu verlassen, um und in sein Land, zu seiner Familie und seiner Gemeinde zurückzukehren. Zweitens entschied die BCIE am 1. April, sich den Co-Finanziers des Agua Zarca-Projekts anzuschließen und, genau wie FMO und FINNFUND, die Zahlungen provisorisch zu suspendieren.

Angesichts dieser Tatsachen unterstützt die Mission die klaren und nachdrücklichen Worte von COPINH vom 1. April: „Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass keiner dieser Punkte ein Zugeständnis der beteiligten Machtgruppen war, sondern nur durch die innerhalb und außerhalb unseres Landes ausgelöste zivile Mobilisierung ermöglicht wurde.“

COPINH bemerkt ebenfalls, „dass es von der Regierung nie eine Antwort auf unsere Forderungen nach Gerechtigkeit gegeben hat… Die direkt und indirekt Verantwortlichen einer Serie von Verbrechen, die auch den Mord an Berta einschließt, sind auf freiem Fuß, bauen ihre Wasserkraftwerke und verhandeln mit den Mördern.“

Insofern bekräftigt die Internationale Mission ihren Einsatz, um weiterhin den Kampf von COPINH und vielen anderen in Honduras zu unterstützen, „ein Kampf, der nicht aufhört, sondern sich angesichts der immer klarer werdenden Absicht des honduranischen Staates bspw. für seine Verbündeten – den multinationalen Unternehmen – Straflosigkeit durchzusetzen, noch verstärken wird. Begleitet wird dies durch eine steigende Feindseligkeit gegenüber unserer Bewegung sowie die Verfolgung von jedem, der es wagt, Widerstand zu leisten in diesem enteigneten und mit Blut befleckten Land, in dem nun offensichtlich eine staatliche Strategie der Zerschlagung und Zerstörung von COPINH und anderen sozialen Bewegungen verfolgt wird.“

(1) Ley de Protección para las y los Defensores de Derechos Humanos, Periodistas, Comunicadores Sociales y Operadores de Justicia

 

Mitglieder der Mission

Miguel Urbán Crespo – Spanien, Mitglied der Europäischen Parlamentes mit PODEMOS – Linksfraktion GUE/NGL, Mitglied der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten und der Unterausschuss für Menschenrechte.

Candelaria Ochoa – Mexiko – Dr. der Sozialanthropologie und Abgeordnete des Congreso de la Unión.

Pedro Arrojo – Spanien – Dr. der Naturwissenschaften, Dozent der Wirtschaftsanalyse an der Universität Zaragoza und Abgeordneter von PODEMOS im Abgeordnetenhaus in Spanien.

Mirna Perla Jiménez – El Salvador – Ex-Richterin der Obersten Gerichtshof von El Salvador, Mitglied in der Wahrheitskommission in Honduras.

Nora Cortuñas – Argentinien – Menschenrechtsverteidigerin, Gründerin der Mütter vom Plaza der Mayo, Prof. bei der Fakultät der Wirtschaftswissenschaften der Universität Buenos Aires, Mitglied der Wahrheitskommission in Honduras.

Brian Finnegan – USA – AFL/CIO und Repräsentant des Gewerkschaftsbundes der Arbeitnehmer der Amerikas.

Beverly Keene – Argentinien – Diálogo 2000 und Jubileo Sur/Amerika, Mitglied der Globalen Kampagne „Dismantle Corporate Power and Stop Impunity“.

Natalia Atz Sunuc – Guatemala – Friends of the Earth America/ Caribe (ATALC), Mitglied der Globalen Kampagne „Dismantle Corporate Power and Stop Impunity“.

Gustavo Lozano – Mexiko – Anwalt des Zentrums für Umweltgerechtigkeit und der mexikanischen Bewegung der von Wasserkraftwerken Betroffenen und der Verteidigung der Flüsse (MAPDER).

Zulma Larin – El Salvador – Koordinatorin des Netzwerks der Gemeindeumweltschützern und Koordinatorin der Allianz für Governance und Gerechtigkeit.

Adolfo Taleno – Nicaragua, Koordinator des Schreis der Ausgeschlossenen.

Bartolomé Chocoj Camey – Guatemala – Koordinator des Schreis der Ausgeschlossenen.

José Olvera – Mexiko – Nationale Arbeiterunion (UNT) Mexiko und Gewerkschaftsbund der Arbeiter*innen der Amerikas (CSA).

Everardo Piche – El Salvador – Koordinator des Netzwerks der Gemeindeumweltschützern und Jubileo Sur/Amerika.

Tom Kucharz – Spanien – Politikberater der PODEMOS-Delegation im Europäischen Pralament. Mitglied der Ecologistas en Acción und Mitglied der Globalen Kampagne „Dismantle Corporate Power and Stop Impunity“.

Der vollständige Bericht ist unter folgendem Link zu finden (Spanisch): http://jubileosuramericas.net/wp-content/uploads/2016/04/InformeVisitaBerta.pdf
Weitere Informationen zur Internationalen Mission: http://www.stopcorporateimpunity.org/?p=7429